Straight White Male: Roman (German Edition)
…«
»Michael?«
»… sagt sie: ›Oh, vielleicht sparen wir uns diesen Monolog besser, weil das Publikum …‹«
» MICHAEL! «
»Was?«
»Warum erzählst du mir das?«
»Warum? Weil sie, wie ich schon sagte, den Film ruiniert, Mann. Sie ruiniert deine Arbeit.«
»Sie ist ein gottverdammter Superstar, Michael. Die sind eben so. Die machen den lieben langen Tag nichts anderes. Ihr Job, ihr ganzer beschissener Lebensinhalt ist es, Leid und Kummer zu verursachen und alles niederzutrampeln, was sich ihnen in den Weg stellt. Komm schon, wie alt bist du? Fünf? Das kennst du doch alles längst.«
»Nicht in dieser Größenordnung. Ich meine … wer bin ich denn? Wer zur Hölle bin ich denn eigentlich? Karl Arsch? Ich habe Beckett gespielt. Pinter. Ich habe am Off-Broadway in Eines langen Tages Reise in die Nacht auf der Bühne gestanden.«
Und wieder hatte Kennedy allen Grund, dem lieben Gott zu danken. Diesmal dafür, dass er nie gezwungen worden war, sich eine dieser Aufführungen anzusehen. Das Theater war etwas, wo diese Mittelklasse-Wichser hingingen, um sich kultiviert zu fühlen. Da war er mit Nabokov ganz einer Meinung: Einer von Gottes größten Scherzen war es gewesen, Shakespeare zum Dramatiker zu machen.
»Das soll diese blöde Schlampe erst mal hinkriegen«, fluchte Curzon. »Dämliche Schlampe!« Er schlug mit dem Handrücken gegen eine leere Dose Diät-Cola, die scheppernd auf einem Haufen anderer Dosen landete. Im Trailer herrschte völliges Chaos. Und auf den zweiten Blick sah Curzon nicht viel besser aus: blutunterlaufene Augen, fleckige Haut, Stoppelbart. Es schien so, als würde ihn das Ganze ziemlich mitnehmen.
Kennedy seufzte. Wie alles andere war auch das hier irgendwann vorbei. »Aber warum erzählst du all das mir? Was kann ich schon daran ändern? Genau wie du arbeite ich bloß hier. Rede mit Kevin. Rede mit Scott.«
»Die interessiert das nicht. Die würden sie in meinen Mund scheißen lassen, wenn sie der Meinung ist, dass es die Szene bereichert. Komm schon, Mann. Du und Julie, ihr steht euch nahe.«
»Glaub bloß nicht alles, was in der Zeitung steht«, sagte Kennedy, stand auf und knöpfte sich sein Jackett zu. »Und reiß dich zusammen. ›Es gibt Schlimmeres‹, wie meine Mum zu sagen pflegt. Du hast Arbeit, du wirst bezahlt. Also Kopf einziehen, Augen zu und durch.«
»Hä?«
»Vergiss es. Hör zu, du bist auf dem Weg nach ganz oben, Michael. Wenn alles glatt läuft, dann werden deine Träume wahr, und in ein paar Jahren kannst du den gleichen Scheiß abziehen wie sie. In Ordnung? Bis später.«
»Hey«, sagte Curzon, »hast du gerade zu tun? Wir könnten zusammen abhängen? Bock auf ein Näschen?«
»Nee du, ehrlich nicht.«
Immer noch vollkommen perplex, schlenderte Kennedy vom Trailer zurück zum Set. Schweinebuchtmonolog? Heilige Scheiße, die ganze Geschichte ging völlig den Bach runter. Er blickte auf seine Uhr: In Los Angeles war es jetzt früher Abend. Braden schwitzte vermutlich im Fitnessstudio. Kennedy wählte seine Nummer und sprach ihm auf die Mailbox. »Hallo, Kennedy hier. Hör mal, ich bin gerade am Set in Pinewood. Die schreiben mein Skript um, wie sie lustig sind. Könntest du bitte beim Produktionsbüro offiziell eine Kopie der aktuellsten Drehfassung anfordern? Wir müssen womöglich ernsthaft in Erwägung ziehen, meinen Namen aus diesem beschissenen Film streichen zu lassen.« Er legte auf, machte einen Bogen um ein paar Crewmitarbeiter, die eben eine riesige Scheibe aus Zuckerglas aufrichteten – eine Fensterattrappe, durch die schon bald Teal oder Curzon oder wahrscheinlich eher irgendein Stunt-Double springen würde –, und ging zurück in den abgedunkelten Hangar.
Wusstest du, dass Kevin auch Drehbuchschreiber ist?
Dieser fette Spinner war nicht einmal in der Lage, eine überzeugende Geburtstagskarte zu schreiben. Regisseure. Man erlebte das immer wieder: gute Regisseure, die respektable Filme drehten, nach Drehbüchern, über denen respektable Autoren Monate, womöglich Jahre geschwitzt hatten. Aber das reichte diesen Typen nicht. »Regie: Todd Arschgesicht« klang mit einem Mal nur noch halb so reizvoll wie »Buch und Regie: Todd Arschgesicht«. Also setzten sie sich hin und versuchten es selbst. Und was dachte sich so jemand dabei? Was passierte in seinem Kopf? Nichts. Da saßen höchstens zwei Affen, die einander die Flöhe aus dem Fell klaubten. Denn diese Scheiße war verdammt hart . Keiner schrie dich an, keiner stellte dir
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