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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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keineswegs vom Fremdgehen abgehalten. Selbst mit siebzig, in Paris, turnte er noch durch die Betten, vergnügte sich mit Margot, Ethel und anderen. Doch nicht einmal dein Rumgehure hat dich zu retten vermocht, dachte Kennedy. Schwitzend und stöhnend bist du ein ums andere Mal gekommen, und doch hat es sich auf dich gestürzt. Insektenflügel, die in deinem Rücken schlugen. All das Schreiben und Ficken hat dir nicht geholfen. Daran, wie die Geschichte ausging, vermochte es nichts zu ändern. Nach deinem Tod haben sie dich in Paris begraben, deinen Leichnam wieder ausgebuddelt und schließlich in Sligo beigesetzt. Auf dem Grabstein stand: »Reiter, wirf einen kalten Blick auf das Leben, auf den Tod – und reite weiter!« Im gottverdammten Sligo. Was für eine Scheiße!
    Mit einem lauten Seufzer legte der Geschäftsmann auf der anderen Seite des Gangs sein BlackBerry zur Seite und schüttelte den Kopf. Offenbar wollte er, ein Gespräch anfangen. Was nach Kennedys Erfahrung für die erste Klasse eher ungewöhnlich war. Normalerweise ignorierten die Reichen einander. Völlig im Gegensatz zur Holzklasse, die eine einzige fliegende Gruppentherapie war. Ach, was soll’s, dachte Kennedy. Er war angetrunken genug. Also lächelte er und prostete dem Mann zu.
    Ehe er sichs versah, wurde ihm eine große, warme Pranke entgegengestreckt. »Hallo, ich bin Peter. Peter Arthur.«

zweiter teil
    ENGLAND

sechsundzwanzig
    »Unterschreiben Sie dann bitte hier.«
    Kennedy tat wie geheißen und wurde mit einem durchsichtigen Beweismittelbeutel (drei Pfund und vierundvierzig Pence) belohnt, in dem sich seine Brieftasche, seine Uhr, sein Handy und sein Gürtel befanden. Seine Schuhe standen neben ihm auf dem Tresen.
    »Man wird Sie wegen des Gerichtstermins informieren.«
    »Alles klar, verstehe. Danke, Officer.«
    Eine Zelle war für Kennedy Marr keine neue Erfahrung.
    Als Teenager in Limerick war es die der örtlichen Polizeistation gewesen. Das Vergehen: Störung der öffentlichen Ordnung. Als Student die harte Betonpritsche eines viktorianischen Gefängnisses im Süden von Glasgow. Das Vergehen: Trunkenheit und ungebührliches Benehmen. Und später die etwas komfortablere Sechzigerjahrewache irgendwo in der Nähe von Cheltenham. Das Vergehen: Trunkenheit am Steuer – er hatte seine erfolgreiche Lesung auf einem Literaturfestival angemessen begossen. Und nach dem Vorfall vor dem Dan Tan’S hatte er sogar die exklusive Luft einer Arrestzelle im Polizeirevier von Beverly Hills am Santa Monica Boulevard schnuppern dürfen.
    Aber Heathrow war ein Debüt. Kennedy hatte noch nie zuvor in der Zelle einer Flughafenwache gesessen. Diese hier war eigentlich gar nicht so schlecht gewesen, konnte aber, was ihre Qualitäten als Dekompressionszone nach einem Elfstundenflug betraf, mit den Sofas und Duschen der Concorde-Lounge nicht so ganz mithalten. Er legte seine Rolex an und blickte aufs Zifferblatt: Es war acht Uhr morgens. Die Landung lag fast zwölf Stunden zurück.
    »Und bitte hier noch mal unterschreiben«, sagte der Wachhabende – ein großer, bärtiger Kerl in Kennedys Alter – und zeigte auf eine weitere Stelle des Formulars. Während er zusah, wie Kennedy unterzeichnete, fragte er: »Bisschen alt, um sich so zu benehmen, oder?«
    »Ja.« Der Mann hatte recht. Kennedy, der beim Arbeiten regelrecht pedantisch war, was das Editieren betraf, hatte hin und wieder Probleme mit der Editierfunktion des Lebens.
    Der Beginn des Gesprächs, das Bekanntmachen, war so verlaufen, wie es über den Wolken meistens verlief.
    »Kennedy Marr«, hatte er sich vorgestellt und die Hand des anderen geschüttelt.
    »Höre ich da einen irischen Akzent?« Peter Arthurs breiter Südstaatenakzent wies ihn eindeutig als Bürger Virginias aus.
    »In der Tat, ja.«
    »Oh, meine Frau wäre begeistert von Ihnen. Und ob sie das wäre.«
    Wie sich herausstellte, hatte der Typ wohl schon vage von ihm gehört. »Ich glaube, meine Frau hat vor einiger Zeit mal was von Ihnen gelesen. Ich kann allerdings nicht behaupten, je eins Ihrer Bücher in der Hand gehabt zu haben.«
    Kennedy seufzte. Diesen Satz bekam er so oder so ähnlich erstaunlich oft zu hören. In der Regel gab es dazu keinerlei Anlass. Noch nie in seinem ganzen Leben – na gut, diesen einen deutschen Interviewer mal ausgenommen – hatte Kennedy jemanden gefragt: »Haben Sie denn überhaupt eines meiner Bücher gelesen?« Und doch verspürte eine bestimmte Sorte von Schwachköpfen, sobald man sich ihnen

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