Straight White Male: Roman (German Edition)
zündete er sich eine Zigarette an und scrollte durch die E-Mails auf seinem Handy. Das Übliche: Braden, Spengler, Connie, Vicky, die ihr Badezimmer umbauen wollte und ankündigte, ihm die Rechnung zu schicken. Angela, mit neuen Terminen: ein paar Interviewanfragen von verschiedenen Zeitungen, die seine Sicht auf den Vorfall im Flugzeug hören wollten. Kennedy vernahm Schritte auf dem Kies, hob den Blick und sah Familie Drummond das Pub Richtung Parkplatz verlassen. Er lächelte und winkte ihnen mit seiner Zigarette zu. Drummond nickte zurück, eine schwache Andeutung eines Lächelns, eher schon ein spöttisches Grinsen, auf den Lippen.
Ach ja?, dachte Kennedy. Fick dich doch ins Knie.
Zurück in der Wärme des Pubs, drängelte er sich an die Bar und bestellte mit einem zusammengerollten Zwanziger winkend »dasselbe noch mal«. Er glotzte durch das Fenster und beobachtete, wie Drummonds Prius an seinem Aston Martin vorbeirangierte und vom Parkplatz rollte. Kennedys Mund entwich eine Art tiefes Knurren, als er dem Wagen hinterherstarrte.
Das australische Barmädchen stellte die Getränke vor ihm auf die Theke, folgte seinem Blick und sagte: »Oh, Dennis Drummond. Ein Freund von Ihnen?«
»Himmel, nein.«
»Wissen Sie was?« Das Mädchen beugte sich über die Bar. »In der ganzen Zeit, in der ich hier arbeite, habe ich den Kerl unzählige Male bedient und nicht ein einziges Mal …«
»… auch nur einen Penny Trinkgeld von ihm gekriegt?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe gerade dreißig Sekunden in seiner Gesellschaft verbracht.«
Kennedy besaß in der Tat einen untrüglichen Riecher für die spaßbefreiten Knauser – diesen Menschenschlag, der nie eine Runde springen ließ und jedes Mal, wenn es ans Zahlen ging, betonte, dass er keine Vorspeise bestellt hatte. »Ich bin übrigens Kennedy«, sagte er und streckte seine Hand durch die Zapfhähne.
»Nicky. Von Ihnen haben wir hier alle schon gehört«, antwortete sie lächelnd.
»Tatsächlich?«, sagte Kennedy und erwiderte ihr Lächeln.
einunddreißig
Kennedys Mittagessen mit dem Dekan war außerordentlich ansprechend gewesen. Es gab heimischen Fasan und danach heißen Apfelstreusel. Sein Gastgeber hatte sogar eine Flasche 73er Palmer geöffnet.
Das Büro des Dekans befand sich im historischen Teil der Universität, einem viktorianischen Pseudo-Gotik-Mischmasch, bestehend aus mehreren Gebäudeflügeln und einem Turm, die sich am nördlichen Hang des Campus um zwei mit Bänken gesäumte Kolleghöfe gruppierten. Von dort aus konnte man am Fuß des Hangs die weiße Fassade und die braunen Rauchglas-Fenster der Bibliothek und weiterer benachbarter Gebäude jüngeren Datums erkennen – größtenteils Sechzigerjahre-Bausünden.
Das Intermezzo im Flugzeug wurde während des Fasans abgehandelt. Der einzige Kommentar des Dekans lautete: »So etwas kommt vor. Der fragliche Bursche scheint mir ohnehin ein recht unangenehmer Patron gewesen zu sein.« Und als sie schließlich die letzten verbliebenen Streusel durch die Schlagsahne jagten, war Kennedy längst überzeugt, dass sie beide voll und ganz einer Meinung waren. Kennedys Name verlieh der Uni einen Schuss Glamour und hatte für einen kräftigen Bewerberschub gesorgt. »Beim Traffic der Internetseite sowie den Anrufen im Sekretariat gab es einen bemerkenswerten Ausschlag nach oben«, wie Miss Welles aus dem Sekretariat dem Dekan nach dem Pressewirbel um die Flugzeugbalgerei zu berichten wusste.
»Heutzutage steht und fällt alles mit der Finanzierung, Mr. Marr. Jeder dieser Studenten aus Übersee bedeutet eine weitere Geldspritze für uns«, erklärte der Dekan und signalisierte so seine Dankbarkeit.
Kennedy im Gegenzug war fest entschlossen, exakt so wenig zu arbeiten, wie man ihm eben noch durchgehen ließ.
Sie zogen sich in zwei bequeme Lehnsessel am Fenster zurück. Während sie ihren Kaffee umrührten, brachte der Dekan ein letztes Thema zur Sprache. »Da wäre noch eine etwas delikate Angelegenheit, über die ich gerne mit Ihnen reden würde, Mr. …«
»Bitte nennen Sie mich doch Kennedy.«
»Kennedy. Ihnen eilt – wie soll ich es formulieren – ein gewisser Ruf als Frauenheld voraus.«
»Tatsächlich?«
»Nun, man liest da so das eine oder andere. Und natürlich ist das alles nicht meine Angelegenheit. Wie sagte Samuel Johnson doch gleich? ›Sie predigen wie die Engel, aber leben wie die Menschen.‹«
Kennedy grinste. »Wem sagen Sie das …«
»Es ist nur so, dass amouröse
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