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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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ein winziges Ding im Arm zu wiegen, das sich an ihn schmiegte und staunend seiner Gutenachtgeschichte lauschte. »Die Schauspieler und den Prospekt hab ich gesehn, nicht jene Dinge, für die beide bildlich stehn.« Er hatte es vorgezogen, in der Suite eines Fünfsternehotels verkatert neben einem Mädchen aufzuwachen, das er kaum kannte, statt sich daran zu erfreuen, wie eine vom Schlaf noch ganz warme Fünfjährige zum Kuscheln in sein Bett krabbelte. Er hatte es vorgezogen, mit ihm nahezu unbekannten Menschen in angesagten Restaurants Champagner und Cocktails zu saufen, statt den Kopf durch die Kinderzimmertür zu stecken und nach seiner achtjährigen Tochter zu sehen – zu sehen, wie sich ihre Brust im schummrigen Schein des Nachtlichts sanft hob und senkte. Er hatte es vorgezogen, eine ganze Reihe biegsamer junger Damen in Apartments, Autos und Nachtclubtoiletten in erstaunlich komplizierte Positionen zu verrenken, statt … was auch immer. Statt diesen einen Drachen steigen zu lassen. Mit zu diesem einen Picknick zu gehen. Diesen einen Pfannkuchen zu braten. An einem regnerischen Nachmittag zusammen auf dem Sofa zu liegen und diese eine DVD zu schauen. Ja: Prioritäten.
    Gelegentlich traf Kennedy die Dummheit seiner Entscheidungen mit der niederschmetternden Wucht eines Baseballschlägers.
    »Ich mache mir was zu trinken, willst du auch was?« Kennedy durchquerte das Zimmer und griff nach der Flasche Single Malt.
    »Ich hab schon einen. Und ich gehe gleich noch aus.«
    Die folgende Stille wurde nur von Kennedys Bemühungen gestört, die Flasche zu öffnen.
    »Kennedy?«, fragte Millie schließlich, noch immer ohne von ihrem Manuskript aufzusehen.
    »Mmm?«
    »Was tust du?«
    »Was?« Mir einschenken. Und zwar reichlich. »Ich mache mir einen Drink.«
    »Ich meine, was machst du hier? Freitagabends um sieben? Hast du nichts Besseres zu tun? Ausgehen und Leute treffen zum Beispiel?«
    »Doch, ja, natürlich. Ich hätte es nur nett gefunden … ach, keine Ahnung. Ist auch egal.« Er kippte den Drink runter, starrte aus der Terrassentür in den Garten, und das Brennen des Whiskys trieb ihm die Tränen in die Augen. Jawohl, das Brennen.
    Millie beobachtete ihn einen Moment lang, wie er da an ihrer Terrassentür stand. Sie hatte Kennedy immer für recht jugendlich gehalten, verglichen mit anderen Männern seines Alters. Ja, er hatte einen leichten Bauchansatz, aber keine Brille. Sein dichtes schwarzes Haar wurde noch nirgendwo dünn oder grau. Aber jetzt gerade, im Licht der Lampe, wie er so traurig in die pechschwarze Nacht hinausstarrte, da schien er mit einem Mal erschreckend gealtert. »Armer Kennedy«, sagte sie. Er zuckte mit den Achseln und griff erneut nach der Flasche. »Schatz, ist der Drink jetzt wirklich nötig?«, wollte Millie ihn fragen – ein seltsamer Drang, entsprungen aus reinem Instinkt, der Macht einer Gewohnheit, die sich im Laufe von zwölf gemeinsam verbrachten Jahren entwickelt hatte. Doch sie fragte nicht. Sie sagte nur: »Armer, armer Kennedy.«
    Er könnte sich hier richtig wohlfühlen. Zumindest, wenn ihm keiner das Trinken verbot.

fünfunddreißig
    Der Zirkus war in der Stadt. Sämtliche Zeitungen waren voll davon. »Star feiert bis morgens um fünf!«, tönte der Mirror . Das dazugehörige Bild zeigte Michael Curzon, wie er aus einem Nachtclub torkelte – eine Zigarette im Mundwinkel und in jedem Arm eine Blondine. Ja, von wegen, dachte Kennedy angesichts des Fotos. Die Sun titelte »Der Teal-Deal!« und brachte einen Artikel, der sich darin erschöpfte, die haarsträubenden Forderungen der Schauspielerin an die Produktionsfirma und das Mandarin Oriental Hotel in Knightsbridge aufzulisten. Etwa, dass ihr die Getränke – Diät-Cola und Evian – nur in einem ganz bestimmten Flaschentyp serviert werden durften; für Räume, in denen sie sich mehr als zwei Minuten aufhielt, wurde ein sogenanntes »Lichtkonzept« vorgegeben; sämtlichen Crewmitgliedern, im Prinzip eigentlich jedem Menschen, der in der Hierarchie unter dem Regisseur, Produzenten oder Co-Star stand, war es untersagt, ihr direkt in die Augen zu blicken. Im Telegraph gab es eine Story über die aufgebrachten Einwohner eines verschlafenen Nests in Buckinghamshire, das sich Scott Spengler für die zwei Monate, die in Pinewood gedreht wurde, als Rückzugsort ausgewählt hatte. Offenbar entsprach das von ihm gemietete Anwesen nicht den üblichen Hollywood-Standards, weshalb vor Eintreffen des berühmten Mannes erst einmal ein

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