Straight White Male: Roman (German Edition)
Trupp Arbeiter den Rasen aufgerissen hatte, um dort Tennisplätze, Jacuzzis und Ähnliches anzulegen. Eine Story, die eine Facette des kulturellen Unterschieds zwischen Amis und Briten beleuchtete, die Kennedy als einigermaßen kurios empfand. Betuchte Engländer arrangierten sich, wenn sie über einen kurzen bis mittleren Zeitraum irgendwo Station machen mussten, mit den örtlichen Gegebenheiten. Reiche Amerikaner hingegen warfen all ihren Reichtum in die Waagschale, um zu garantieren, dass ihnen auch ja sämtliche Annehmlichkeiten zur Verfügung standen, die sie von zu Hause gewohnt waren. Warum war das so? Nun, laut Kennedy lag es daran, dass diese Irren eine ganze Nation aus dem Nichts erschaffen hatten. Von Grund auf hatten sie ihr Land aus Blut und Spucke erbaut. Natürlich würden diese Leute einen begehbaren Kleiderschrank mit eigenem Bad nicht dem Zufall überlassen.
Bei seinem Eintreffen in Pinewood war Kennedy gut drauf. Verdammt gut sogar. Nachdem der Sicherheitsmann sich von Ausweis und Führerschein widerwillig hatte überzeugen lassen, dass Kennedy tatsächlich derjenige war, der er zu sein behauptete, händigte er die Passierscheine aus und dirigierte Keiths Mercedes Richtung 007-Studio.
Wie erwartet hatten die Flasche Macallan, die Kennedy mitgenommen hatte, das in voller Lautstärke aus den Boxen dröhnende Exile-On-Main-St. -Album der Stones sowie diverse mit bestem Dope bestückte Joints, die Keith vorbereitet und mit erfreulicher Regelmäßigkeit nach hinten gereicht hatte, die Fahrt über die M40 deutlich angenehmer gestaltet als befürchtet. Da Kennedy ganz genau wusste, dass er diese Tortur nicht nüchtern überstehen würde, hatte er Keith angerufen und ihn für den Trip gebucht. (»Klaro, Chef. Hundertfünfzig Mäuse, und die Sache ist gebongt.«) Der Aston Martin stand derweil sicher zu Hause in der Auffahrt.
Seine Mum hatte natürlich vollstes Verständnis dafür gehabt, dass er seinen Besuch bei ihr vertagen musste. »Tatsächlich? Ja, mein Gott, selbstverständlich gehst du zu deinem Meeting. Ach, mir geht’s gut. Du kennst doch unseren Patrick, der macht sich um alles und jeden Sorgen. Kümmere du dich erst mal um deine Arbeit, mein Sohn. Man muss ja dankbar sein, wenn man Arbeit hat, und dann muss man sie auch gewissenhaft erledigen …«
Kennedys Mutter verstand das, was er tat, nur bis zu einem gewissen Grad. Sie besaß ein Fotoalbum voller Zeitungsausschnitte: Kritiken, Interviews, Nachrichten – Kennedy war einer der wenigen Schriftsteller, die es auf die Nachrichtenseiten geschafft hatten, auch wenn er dort selten sonderlich gut wegkam. Sie war mit ihm bei ein paar Preisverleihungen und Filmpremieren gewesen. Hatte ihn ein- oder zweimal beim Dreh besucht und ihn sogar hin und wieder im Fernsehen gesehen. Trotzdem schien sie nach über zehn Jahren immer noch zu glauben, ihr Sohn habe ständig mit jenen Gefahren zu kämpfen, die es mit sich bringt, keinen »richtigen« Job zu haben. Dass seine Auftragslage äußerst ungewiss sei und er jeden Moment vor dem Nichts stehen könne. Oft hatte Kennedy den Verdacht, seine Mum würde glücklicher und gelassener sein, wenn er der Besitzer einer florierenden Autowerkstatt wäre. Oder leitender Angestellter bei der lokalen Bank. Das Thema Geld hatten sie nur bei einer einzigen Gelegenheit jemals direkt angesprochen. Das war jetzt wie lange her? Vielleicht fünf Jahre? Er hatte sie von L. A. aus angerufen und sich bei ihr über einen Trip nach New York ausgekotzt, wo er sich mit einem Regisseur treffen sollte, für den er gerade ein Drehbuch überarbeitete.
»Ist es das denn auch wirklich wert?«, hatte seine Mutter gefragt.
»Wie meinst du das, Mum?«
»Na, ist das so eine weite Reise wert? Ich meine, wegen all der Kosten und so, für die Flüge und Hotels?«
»Das bezahlt alles das Studio.«
»Aber zahlen sie dir denn genug, dass es deine kostbare Zeit auch wert ist?«
»Was denkst du denn, wie viel ich verdiene?«
»Davon verstehe ich doch nichts.«
Er sagte es ihr – einen mittleren sechsstelligen Dollar-Betrag.
Es folgte eine lange Pause, nur unterbrochen von unterseeischem Knistern in der Leitung. Dann ächzte seine Mum: »Heiliger Strohsack …«
Kennedy vermutete noch immer, dass ein so hohes Einkommen für seine Mutter – mit all ihrem Stolz – bestenfalls etwas Anrüchiges hatte. Dass sie dahinter nichts als Lug und Trug argwöhnte. Blendwerk, wie sein Vater gesagt hätte. Sie befürchtete, dass ihm jeden
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