Strandglut 27 Short(s) Stories
hat, war für seine Experimente bestimmt. Onkel Franz war Lebensmittelchemiker. Das, was sie da in den Händen halten, ist das bestgehütete Geheimnis der Familie. Der Grundstock zu Frey Industries. Der Addi-Würfel. Der berühmteste Brühwürfel der Welt, benannt nach Tante Adele. Natürlich ist das Rezept patentiert. Tante Addi hat mir diesen Zettel vermacht, weil ich die Geschichte des Familienkonzerns in einem Fotoband herausbringen soll. Sie hat mir dafür schon Vorschüsse gezahlt.“
„Okay, ich gebe zu, dass ich Frau Frey den Schlüssel abgenommen habe. Aber sie ist an einem Herzanfall gestorben.“
Der Inspektor und Rainer lachten.
„Nee, nee, Kindchen, Unkraut vergeht nicht. Adele Frey erfreut sich bester Gesundheit. Sie war nur total betrunken.“
„Wieso?“
„Meine liebe Tante mag Addibrühe. Am liebsten als Bullshot. Sie hat sich jeden Morgen eine Rinderbrühe machen lassen. Kaum waren sie aus dem Zimmer, hat sie dreiviertel der Brühe in die Palme gekippt und den Rest mit Wodka aufgegossen. Ihre geliebte Morgenbrühe. Als ich gestern kam, hat sie zweimal nachgegossen, weil sie mit mir auf das Buch anstoßen wollte.“
„Ziehen Sie sich an und kommen sie mit.“
„Ja, aber sie war doch nur betrunken?“
„Wir haben die Palme gestern Abend ins Labor gebracht. Die Truxalmenge die wir darin gefunden haben, wäre tödlich gewesen.“
Frozen Margarita
Miriam stand auf der Terrasse des Herrenhauses und schaute auf die stillgelegten Reisfelder der Great Oaks Plantagen. Das Wasser zwischen den mannshohen Reisbüscheln kräuselte sich im Wind, rosa Blütenblätter wehten von der Magnolie herüber, die feuchte Luft South Carolinas war angefüllt mit dem Duft des Frühlings und dem leichten Salzgeschmack des Atlantiks. Sie strich sich eine graue Locke aus der Stirn, die sie genauso wenig unter Kontrolle zu haben schien wie ihren Verstand. Es konnte nicht sein, ganz bestimmt nicht, sie wusste doch noch was sie tat.
Die Reisfelder riefen ihr zu: „Mimi, Mimi.“
‚Nein, nicht an seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag.’
Sie hörte Geschirrklappern, kurze, auf Spanisch erteilte Befehle, hektische Schritte am Poolhaus. Der Catering-Service arbeitete auf Hochtouren, in einer halben Stunde würden die ersten Gäste zu Oskars Geburtstagsparty erscheinen. Miriam zupfte an ihrem magentafarbenen Seidenkleid, das ihre immer noch schlanke Figur umschloss wie eine zweite Haut. Der Dreikaräter an ihrer blaugeäderten Hand funkelte in der Abendsonne, ein Weihnachtsgeschenk von Exmann eins, Gott hab ihn selig, der vor nunmehr fast fünfunddreißig Jahren so unglücklich die Kellertreppe herabgestürzt war, dass der Ärmste sich das Genick gebrochen hatte.
„Mimi, Mimi“, flüsterten die Reisfelder, die Exmann zwei ihr einst, zusammen mit dem alten Herrenhaus, vermacht hatte. Zur Belohnung hatte er seine letzte Ruhe unter den Reisfeldern gefunden, nach dem Genuss wilder Pilze, die sie ihm liebevoll zubereitet hatte.
„Ach hier bist Du, Mom, ich suche Dich überall.“
Miriam schrak aus ihren Gedanken auf, als ihre Tochter Judy, ebenfalls ein Vermächtnis von Exmann zwei, neben sie trat und einen Kuss auf ihre hohen Wangenknochen hauchte.
„Willst Du einen Drink?“
„Gern Judy, aber hole mir bitte noch ein wenig Eis aus der Tiefkühltruhe im Keller, ich habe vergessen, oben nachzulegen.“
Miriam schloss die Augen und lauschte auf Judys Schritte. Das Klack, klack ihrer Stilettoabsätze auf der Kellertreppe mischte sich mit dem Ruf der Reisfelder: Mimi, Mimi!
„Mom! Was zum Teufel willst Du jetzt den Gästen erzählen?“ Judy reichte ihr ein eisbeschlagenes Glas mit Margarita.
„Darüber mache ich mir weniger Sorgen. Sie wissen alle, dass Oskar ziemlich skurril ist.“
„Aber er liegt mit einem Loch im Kopf in Deiner Tiefkühltruhe!“
„Seine letzte Geburtstagsparty hat er auch verpasst, weil er ein Whole in One gespielt und den ganzen Country Club besoffen gemacht hat.“
„Dafür gab es aber fünfzig Zeugen. Mom, also wirklich, langsam wirst Du wunderlich.“
„Danke für die Blumen, Judy. Ich darf Dich allerdings dezent daran erinnern, dass wir vorletztes Weihnachten ziemlich viel Stress mit der Restbeseitigung von Deinem geliebten Thomas hatten und das mit fünfzehn Logiergästen im Haus. “
„Hallo, Ihr zwei, kriege ich auch einen Drink?“ Peter, ein Vermächtnis von Exmann eins, trat neben seine Schwester.
„Nur, wenn Du Eis aus der Tiefkühltruhe im Keller holst“,
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