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Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili St. Crow
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einen Schluck von meiner heißen Schokolade und stellte fest, dass sie kalt war. »Noch mal. Ich gehe zu diesem Münztelefon, werfe meine Münze ein und wähle. Ich warte ab, wer sich meldet, und entscheide nach Gehör. Sobald ich auflege, stehst du auf und gehst zur Straßenecke, wo wir uns treffen. Falls ich in die Seitenstraße gehe, nimmst du den 34er-Bus, und wir sehen uns in ein paar Stunden in meinem Haus. Falls ich auf dich zugehe, benimmst du dich, als würdest du mich kennen. Verstanden?«
    Als Erstes erhielt ich ein Augenrollen und ein Achselzucken. »Ja, ja, ich hab’s verstanden! Total James-Bond-mäßig. Du machst das echt schon länger.« Er sah nicht mich an, sondern die Schlange vor dem Kassentresen. Dann rümpfte er Nase und Mund, als hätte er etwas Bitteres geschmeckt. »Hier stinkt es grausig!«
    Ich zuckte mit den Schultern. Es war eine ganz gewöhnliche Filiale einer Coffee-Shop-Kette mit haufenweise überteuertem Mist in den Regalen und auf den wackligen Tischen. Die jungen Bedienungen hinter dem Tresen bemühten sich wacker, die ganzen Bestellungen – von fettarm, Soja-Milch, doppelter Espresso, zuckerfrei, Trockenschaum, Tropfen bitte und Haben Sie Süßstoff?  – einigermaßen zu behalten. Die Leute drängelten sich vor dem Tresen, bekamen ihren ganz individuellen, auf sie abgestimmten Kaffee und plapperten unterdessen Nutzloses oder Bedeutungsloses in ihre Handys.
    Keiner von ihnen wusste von der Echtwelt. Keiner hatte solche Angst, dass seine Knochen sich wie wasserlöslich anfühlten.
    »Die haben keine Ahnung.« Ich nahm meine nicht mehr besonders heiße Schokolade auf und schabte den Stuhl auf Abstand vom Tisch. Mein Rücken tat immer noch weh, aber inzwischen war es, als würden zwei Krampfwellen an beiden Seiten der Wirbelsäule herunter- und wieder zurückfließen, nach oben geleitet und … nun ja, das Springbrunnenprinzip.
    Eine Frau von der Größe eines Pick-ups in einem massigen blauen Parka – sie war so dick, dass sie von hinten praktisch rechteckig aussah – hievte ihr Kind auf den Tresen. Der arme Kleine war ungefähr fünf, dick eingepackt gegen die Kälte, und zwei Schnodderrinnsale liefen ihm aus der Nase auf die Oberlippe, die er immer wieder mit seinem verkrusteten Ärmel abwischte. Er starrte fasziniert auf die Wand hinter den Kassen, während seine Mutter auf ein müde aussehendes blondes Mädchen hinter dem Tresen einredete. Das Kind schien von der gebogenen Wand fasziniert, denn es streckte seinen Arm nach den Kaffeemaschinen zu seiner Linken aus und strich mit seiner in einen dicken Handschuh gehüllten Hand darüber, bis seine Mutter es zurückriss, als wünschte sie, sie hätte ihm ein Würgehalsband angelegt. Der Kleine gab einen ungnädigen Laut von sich, und sie schüttelte ihn, wie man einen Welpen schüttelt, aber ohne die Freundlichkeit einer Hundemutter.
    Ich hatte einen eisigen Klumpen im Bauch. »Keine Ahnung«, wiederholte ich und warf meinen noch vollen Pappbecher auf dem Weg nach draußen in den Müll.
    Die kalte Luft war geschwängert von Abgasen und dem bitteren Metallgeschmack, der wohl mehr Schnee ankündigte. Geduckt ging ich auf den Gehsteig hinaus, wo das blaue Steinsalz unter meinen Stiefeln knirschte. Es war auf der ganzen Strecke bis zur Telefonzelle gestreut. Ich war ziemlich sicher, dass das Telefon noch funktionierte, denn ich hatte mich vorhin von dort aus angerufen, als wir auf dem Hinweg zum Coffee-Shop vorbeigekommen waren.
    Nun angelte ich Vierteldollars und die Nummer aus meiner Tasche, die ich auf einen neutralen Papierfetzen übertragen hatte. Ich ging noch einmal den Plan durch, suchte nach Schwachstellen oder Haken, nach irgendetwas, das ich nicht bedacht hatte, und plötzlich fragte ich mich, ob Dad sich jemals so gefühlt hatte. Wie? Zuständig, mit einem vor Angst ausgedorrten Hals, kotzübel und so besorgt, dass man selbst im Geiste noch an den Nägeln kaut?
    Als ich klein war, dachte ich immer, er könnte alles. Er hatte sich alle paar Monate bei Gran blicken lassen, manchmal mit Wunden und ein bisschen lahmend, und dann hatte Gran einen Kuchen gebacken und ein Festessen mit allem zubereitet, was er mochte. Irgendwann merkte ich daran, dass Gran früher aufstand und buk oder kochte, dass Dad heimkam. Sie wusste es immer im Voraus, wann er die Wellblecheinfahrt heraufgefahren käme, obwohl wir gar kein Telefon im Haus hatten.
    Ich erinnerte mich, wie er mich im Vorgarten hochhob, herumwirbelte, bis mir schwindelig

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