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Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili St. Crow
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prima Idee, im Schnee, ohne Wagen! Das klang dann doch eher wie eine sichere Methode, sich von etwas oder jemandem erwischen zu lassen. Und keine sonderlich reizvolle noch dazu.
    Ich senkte den Kopf und ging schneller, immer noch nahe an den Hauswänden entlang. Der Himmel war von einem eisigen Blau, und die zarten Federwolken vermochten das fahle Sonnenlicht kaum zu brechen. Tief am Horizont hingen schwere graue Wolken, die sich unendlich weit hinzuziehen schienen.
    Kein einziges Mal drehte ich mich nach Graves um, also konnte ich nicht sagen, ob er tat, was ich ihm gesagt hatte. Die nächsten paar Stunden war er auf sich gestellt, bis ich mich vergewissert hatte, dass ich gefahrlos nach Hause konnte.
    Bis ich sicher war, dass ich nichts Unangenehmes dorthin führte.
    Der Busbahnhof war zwei Straßen weiter. Ich sah mir den Plan der Innenstadt an und fand schließlich die Burke und Zweiundsiebzigste ganz am Rand, wo das Straßennetz sich zu den Vororten hin ausdünnte. Ein einziger Bus fuhr in diese Richtung. Ich sah zum Himmel hinauf, wanderte die Strecke auf dem Plan mit meinem Finger ab und suchte nach Fluchtwegen. Es gab keine.
    Alles wäre entschieden leichter, wenn ich den Truck hätte. Komm schon, Dru, überleg, benutz deinen Verstand!
    Ich starrte die Karte an, als wollte ich ihr etwas anderes entlocken. Eigentlich hätte ich mich vergewissern sollen, dass niemand mir folgte, nach Hause gehen und einen Plan schmieden.
    Plötzlich schoss mir ein klirrender Schmerz durch den Kopf. Ich hielt die Luft an und zuckte zusammen, aber die stechende Glasscherbe verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Es blieb nichts als ein merkwürdiges Sirren, wie wenn man mit dem angefeuchteten Finger über den Rand eines halbvollen Weinglases strich. Alles andere um mich herum ertrank auf einmal in einer drückenden Stille.
    Ich blickte auf.
    Die Welt war erstarrt, sämtliche Konturen schärfer, gleichsam nachgezeichnet. Die Busse standen still, allen Leuten hingen Atemwolken aus den offenen Mündern, der Qualm aus den Auspuffen war mitten in der Luft eingefroren. Ein Junge in einem langen dunklen Mantel schnippte eine Zigarettenkippe beiseite, deren Rauchfahne einen zarten Bogen zwischen der Kippe und seinen Fingern bildete. Die Fußgänger standen ausnahmslos auf einem Bein, mitten im Gehen versteinert. Jemand hatte beim Film des Lebens die Pausetaste gedrückt und vergessen, mir Bescheid zu geben.
    Etwas Schneeweißes flatterte auf einem der Busse, und ich sah hin.
    Dort oben auf dem langen plattnasigen Gefährt plusterte Grans weiße Eule ihre Flügel auf und fixierte mich mit ihren gelben Augen. Sobald unsere Blicke sich begegneten, neigte sie ihren Kopf zur Seite, als wollte sie fragen: »Was gibt’s?«
    Sich zu bewegen war schwierig. Die klare Luft hatte eine sirupartige Konsistenz angenommen, in der ich mich bestenfalls rudernd gegen die Strömung kämpfen konnte. Drei Schritte, vier, auf den Bus zu, der mit offener Tür dort stand. Der Fahrer drinnen hielt regungslos ein Funkgerät vor seinem Gesicht, und seine Augen waren geschlossen. Er musste gerade geblinzelt haben, als die Realität anhielt.
    Im nächsten Moment schnappte alles zurück, ähnlich einem Gummiband. Die Geräusche, das Brummen der Motoren, das Husten und Reden der Leute, das leise Heulen des Windes, waren wieder da. Ich blieb verwundert vor der Bustür stehen, während der Fahrer zu Ende in sein Funkgerät redete und dann zu mir hinuntersah.
    »Willst du einsteigen?« Er hatte Nikolauswangen und einen weißen Rauschebart. Um den Hals trug er ein geknotetes Tuch mit der amerikanischen Flagge. Seine Fingerknöchel waren geschwollen und rot, und er wirkte so fröhlich und harmlos, wie man sich jemanden hinter dem Lenker eines Mehrtonners nur wünschen kann.
    Ich stieg pochenden Herzens die Stufen hinauf, zeigte ihm meine Fahrkarte und setzte mich wenige Reihen hinter ihm hin: nahe genug beim Fahrer, dass mich eventuelle Rowdys oder Verrückte aus den hinteren Reihen nicht belästigten, und ausreichend entfernt, um dem Fahrer nicht aufzufallen, außer mich überkäme ein plötzlicher Brechreiz oder so was.
    So, wie ich mich fühlte, hätte das durchaus passieren können. Ich musste mich anstrengen, ruhig und tief zu atmen.
    Unter meinem Mantel, dem dicken Schal und der Mütze brach mir der Schweiß aus. Trotzdem drohten meine Zähne, laut zu klappern, und ich hatte eine Gänsehaut an Armen und Beinen. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust

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