Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
ein tiefes fauchendes Knurren hinter mir, und etwas klatschte wie eine Fahne im Wind. Schnee stob auf, und der Wind kreischte. Panisch hüpfte ich durch die weißen Massen wie ein Fisch, der am Haken hing.
»Runter!«, schrie jemand, und mein jahrelanges Training übernahm. Man zögerte nicht, wenn so gebrüllt wurde.
Ich warf mich der Länge nach in den Schnee, als auch schon ein lautes Krachen ertönte.
Verflucht, das klingt nach einem Gewehr! Ich rollte mich auf den Rücken, und abermals wurde die Welt zu klarem Sirup, hingen die Schneeflocken bewegungslos in der Luft. Der Himmel leuchtete unter den letzten roten Schmierstreifen des sterbenden Sonnenlichts auf, und der Werwolf über mir war mitten im Sprung eingefroren. Aus seinem zum Knurren geöffneten Maul reichte ein langer Speichelfaden bis zu einem seiner haarigen spitzen Ohrlappen. Seine Ohren erinnerten an Kohlen, und den weißen Streifen seitlich an seinem Kopf sah ich nicht zum ersten Mal. Ich hatte sogar genügend Zeit, beinahe jedes einzelne Haar genau zu erkennen, ebenso wie die Fetzen einer Baumwollhose an den schmalen Flanken. Seine Hinterläufe bogen sich nach hinten durch, zum Sprung gestreckt. Und das lange schmale Gesicht war zu einem entsetzlich hasserfüllten Knurren verzerrt.
Eine halbe Ewigkeit hing er über mir, während ich mich gegen das bleierne Gewicht wehrte, das mich nach unten drückte, und mir ein Schrei im Hals feststeckte. Dann rastete die Welt wieder ein, mit einem Geräusch wie brechendes Eis über tiefem, kaltem Wasser. Etwas traf den Wolf von der Seite, so dass er taumelte, sich im Flug umdrehte und verblüffend elegant im aufstiebenden Schnee landete.
»Steh auf!«, brüllte die fremde Stimme. Es war eindeutig nicht Dad, aber ich kannte den Klang von Befehlen unter Feuerbeschuss. Also rappelte ich mich hoch und rannte zum Wagen. Meine Mütze hatte ich verloren, doch darauf konnte ich momentan nicht achten.
Tatsächlich gelang mir eine Art laufendes Springen, obwohl die Rückenschmerzen mich zu zerreißen drohten. Der Kettenzaun sackte unter mir ein. Mehr krabbelnd als laufend erreichte ich ihn, als auch schon wieder das laute Krachen ertönte. Das war ein Schuss, ganz sicher, auch wenn ich keineswegs warten wollte, um mich zu vergewissern. Adrenalin und Angst halfen mir über den Zaun. Dahinter stürzte ich knappe anderthalb Meter tief und landete sehr unsanft, wobei ich mir fast auf die Zunge biss. Zum Wagen waren es gut drei Meter, die längsten drei Meter meines Lebens. Ich schlitterte auf der Eisschicht unter dem Schnee bis zur Vordertür, hielt mich am Seitenspiegel fest und blickte nach hinten.
Jemand hockte im Schnee, ein Gewehr an seine breite Schulter gestützt, und zielte auf den Werwolf mit dem gestreiften Kopf. Ich sah schwarzes Haar, glatt und nass, bevor der nächste Schuss knallte. Der Wolf heulte auf und schwankte weg. Blut spritzte ihm in hohem Bogen aus dem Fell.
Mein Gehirn wechselte auf Turbobetrieb. Waffe. Du brauchst eine Waffe. Schlüssel. Ich griff in meine linke Jackentasche, zog die Schlüssel heraus, zusammen mit ein paar Zetteln und Kaugummipapier, und suchte zitternd den Wagenschlüssel aus dem Bund. Das Schloss ist vielleicht eingefroren. O Gott, bitte nicht!
Der Schlüssel glitt problemlos ins Schloss. Ich drehte – und wurde mit dem Klicken belohnt, mit dem der kleine Silberknopf drinnen nach oben ploppte. Rasch zog ich den Schlüssel wieder aus dem Schloss, riss die Tür auf und warf den Schlüsselbund auf den Fahrersitz, bevor ich nach der schweren flachen Stahlkiste unter dem Sitz griff.
Unsere Notfallkiste. Darin verbargen sich eine Waffe, Munition und ein paar andere Dinge, die man eventuell brauchte, wenn alles schiefging. Mir war verboten, sie anzurühren, aber das hier war ein verdammter Notfall!
Erneut hörte ich ein Knurren. Es klang fast nach Worten. Eine Werwolfschnauze dürfte kaum für die menschliche Sprache geeignet sein, trotzdem hatte das Knurren etwas unheimlich Beinahe-Menschliches. Als würde ein intelligenter mordrünstiger Hund zu rufen versuchen.
»Na los, mein Hübscher! Zeig mal, was du zu bieten hast!« Wer immer das war, er schien sich prächtig zu amüsieren. Durch die verschneite Windschutzscheibe konnte ich ihn nicht sehen. Inzwischen hatte ich den Kistendeckel geöffnet und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Dort lag die umgerüstete Glock mit drei Magazinen. Ich griff mir eines, steckte es in die Waffe, wofür ich ewig brauchte, wie es mir
Weitere Kostenlose Bücher