Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
»na ja, ich sehe sie eigentlich nicht zusammenarbeiten, nicht in einem Fall wie diesem.«
» Sehr gut!« Der Lehrer strahlte, als hätte ich ihm gerade sein Weihnachtsgeschenk überreicht. »Auf den Bauch zu zielen, ist die effektivere Strategie, wenn die Kreatur von anderen Teammitgliedern abgelenkt wird. Wie lenkt man einen Wampyr ab?«
Ich fühlte mich großartig, wie die Hauptgewinnerin bei einer Tombola. Und das war echt. Es handelte sich nicht um einen dämlichen Geschichtskurs, in dem sie einem sowieso nicht die Wahrheit sagten, sondern nur das gesellschaftskonforme Lügengebilde auftischten und einem damit das Interesse an allem austrieben.
Nein, hier ging es um die Echtwelt. Wie oft hatte ich Dad vorgejammert, dass die Highschool mich auf gar nichts vorbereitete? Dieses Thema hatten wir wieder und wieder durchgekaut.
Der Gedanke an Dad schmerzte, also versuchte ich, an etwas anderes zu denken. Jetzt bereute ich, dass ich so oft die Schule geschwänzt und mit ihm gestritten hatte. Wenn ich nicht …
Das wollte ich lieber nicht zu Ende denken. Ich setzte mich gerader hin.
Graves warf mir einen Blick zu, den ich nicht verstand. Er hob nicht die Hand, ehe er sagte: »Blut.« Das einzelne Wort fiel in den Raum wie ein Stein in einen Teich. »Man vergießt genug Blut, und die Tiere drehen durch.«
Alles wurde unruhig. Irving bewegte sich neben mir, so dass das Sofa knarrte.
Der Mund des Lehrers zuckte komisch. Er bedachte Graves nicht mit einem tödlichen Blick, aber doch mit einem recht üblen. »Der Bluthunger.«
»Eher Durst eigentlich«, entgegnete Irving, der sich wieder bewegte. Ich überlegte, ob er die Aufmerksamkeit des Lehrers auf sich ziehen wollte. »Warum nennen wir es überhaupt Hunger?«
»Um es zu beschönigen?«, schlug Graves gelassen vor. Ich begriff zu spät, was er tat, und der Lehrer erstarrte regelrecht.
Oh Mann, jetzt ging das wieder los! Ich seufzte innerlich und warf eine Frage in den Raum, die ich nicht gestellt hätte, müsste ich nicht irgendwie alle ablenken. »Was ich wissen möchte, ist, wieso ich das nicht habe. Und macht es die Blutsauger wirklich wahnsinnig?« Ich beugte mich unauffällig vor und verpasste Graves einen kräftigen Ellbogenhieb in die Seite.
Hoffentlich sah es für die anderen unabsichtlich aus!
Wieder verstummten alle. Fast gewöhnte ich mich schon daran, dass alle sofort still wurden, wenn ich eine blöde Frage stellte. Immerhin nahm ich schon seit ein paar Tagen an den Kursen teil, sogar in Bürgerkunde und Gabenbeherrschung, die beide komplette Zeitverschwendung waren.
Vielleicht war das hier gar nicht so schlecht.
Blondie wirkte erleichtert, warf Graves aber weiter warnende Blicke zu. Dann mir, und ich schwor, dass ich Zorn aufblitzen sah. »Manche Svetocha haben den Bluthunger, wenn auch erst nach der Blüte. Und, ja, selbst eine kleine Menge von Lebenssaft kann einen neuen Nosferat – oder einen älteren – in einen Zustand ernstlich eingeschränkter Rationalität stürzen. Das Ausmaß hängt davon ab, wie lange ihr letztes Nähren zurückliegt und …«
Nähren. Wie an Menschen nähren. Mich schüttelte es, aber ich hatte keine Gelegenheit, diesen Gedanken zu beenden. Die tiefen klaren Glockentöne durchschnitten, was Blondie sagen wollte, und alle im Raum sprangen auf.
Mist! Alarm! Vielleicht war es eine Übung. Ich packte Graves’ Arm, denn ich hatte quasi einen Entschluss gefasst, ehe ich mir dessen bewusst wurde. »Komm mit!«
»Ich muss …« Er wollte ausweichen, blieb stehen und sah zu mir hinab.
Die Wölfe drängten sich zur Tür, manche schon halb in der Wandlung, so dass ihnen Fell von unten nach oben aus dem Leib spross. Irving blieb an der Tür stehen, um sich umzusehen. Seine Gabe glitt in Form goldener Strähnen durch sein Haar, und seine Augen leuchteten heller. In seiner Unterlippe zeigten sich zwei Kerben von den Reißzahnspitzen, die in das Fleisch drückten. Der Lehrer war schon fort, verschwunden in einer Luftströmung, die nach einem sehr ausgefallenen Aftershave duftete.
Aber er roch nicht wie eine Weihnachtskerze. Das tat einzig Christophe. Wen konnte ich danach fragen?
Ich hielt Graves weiter fest. »Bitte, ich werde irre, wenn ich schon wieder in meinem Zimmer eingeschlossen bin, ohne mit irgendjemandem reden zu können!« Und ich erwische dich nie allein, weil du dauernd mit den haarigen Jungs rumhängst. Ich will dir von Christophe erzählen. Stell dir vor! »Graves, bitte!«
Er hob und senkte die
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