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Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili St. Crow
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angeblich von ihr geerbt haben. Schließlich hatte sie mich großgezogen, nicht?
    Nur fragte ich mich jetzt, was ich woher haben mochte.
    Die Eule war an dem letzten Morgen, an dem ich Dad lebend gesehen hatte, auf meinem Fenstersims aufgetaucht. Dann hatte sie mich zu Dads Truck geführt – und zu Christophe. Der gestreifte Werwolf, der Graves gebissen hatte, war auch dort gewesen, aber das war Zufall.
    War es doch, oder?
    Ich hatte keine Zeit, herumzutrödeln. Also eilte ich Grans Eule nach, meine Beine bleiern und unwillig. Die Welt verlangsamte sich zu etwas, das in dicke Plastikfolie eingeschweißt war, gegen die ich mir jede Bewegung erkämpfen musste. Auch das war Teil des Zwischenraums, diese Schwere. Ich hatte keine Zeit, mich zu fragen, ob ich zu schnell war, als dass die Welt mich einholen konnte, oder ob ich einfach nur durch ein bisschen Raum gelangen musste, um den Körper wieder zu erreichen, in dem ich mich normalerweise bewegte.
    Meine malträtierte Schulter knallte gegen den Türrahmen, als ich hinausrannte, und ein zuckender Schmerz fuhr mir bis in den Brustkorb. Meine Turnschuhe klatschten auf den Steinboden, und ich legte ein ziemliches Tempo hin, obwohl ich mich durch die klebrige Flut arbeitete, die mir das entgegenstemmte, was immer die Welt verlangsamte, wenn man der Eule seiner toten Großmutter folgte.
    Der Flur wirkte wie ein Gang in einem Spiegelkabinett, in dem alles in die Unendlichkeit gespiegelt wurde. Das fahlgelbe Licht der Neonröhren kroch in jeden Riss und jede Delle an den Wänden. Steinboden mit gelegentlichen Abschnitten von ausgetretenem Industrieteppich oder altem Linoleum knarrte unter meinen Turnschuhsohlen. Zugleich zog sich die Schola von mir zurück, schrumpfte zu den Rändern weg. Ein Ärmel meines zu großen blauen Pullovers wickelte sich ab und schlackerte mir über die linke Hand, aber ich hatte keine Zeit, ihn wieder aufzukrempeln. Es war schon schwierig genug, die Eule im Auge zu behalten, während ich glitschte und schlitterte, von Wänden abprallte und unzählige Male kurz davor war, der Länge nach hinzuknallen. Bis sie schließlich wieder um eine Ecke bog, einen kurzen Flur hinunterrauschte und ich vor einer großen Flügeltür stand.
    Die war hoffentlich nicht verriegelt. Aber der rechte Flügel schwang von allein auf, als ich sie erreichte, und so ein kleines Pumpending oben an der Tür ließ sie von selbst wieder zufallen, allerdings fest genug, dass sich Putzteile oben am Rahmen lösten und herabregneten. Gleichzeitig kreischten die Angeln. Kalte Nachtluft strömte herein und blies mir das Haar in den Nacken.
    Ich sprang in Warp-Geschwindigkeit über die Schwelle, und die Kälte traf mich wie ein Hammer auf jedem Zentimeter unbedeckter Haut. Sie fuhr mir direkt in die Knochen, und mir klebte die Zunge am Gaumen. Ich schmeckte den dicken Belag von Wachs und Zitrus. Wieder drehte die Eule enge Kreise über mir, ehe sie eilig wegflog.
    Der Orangengeschmack bedeutete fiesen Ärger. Gran hätte es Orrah genannt. Was sie meinte, war »Aura«, wie wenn Leute mit Migräne einen komischen Geschmack im Mund oder einen Geruch wahrnahmen, ehe ihre Köpfe dichtmachten. Ich hatte eben den Mund voller verfaulter Zitrusfrüchte, und dann geschah etwas wirklich gemein Komisches.
    Zum Beispiel, dass ein Blutsauger aus dem Nichts auftauchte und mir fies zusetzte. Na ja, mir passierte das auch, nur mit einer anderen Note, bevor ich einen alten Freund wiedersah oder sich Dinge ereigneten, die zwar schräg, aber nicht gefährlich waren.
    Jedenfalls wollte ich ganz sicher nicht langsamer werden, um zu entscheiden, welche Note das nun gerade war. Nicht solange die plötzliche Gewissheit in meiner Brust mich vorwärtszog. Mich drängte, weiterzugehen.
    Der Wald rückte dem Gebäude bedrohlich nahe. Und die grauen Nebelbänder, die sich durch kahle schwarze Äste wanden, wirkten auf schmierige Weise beunruhigend. Aber vor allem roch es falsch: zu pudrig für Nebel und mit einem Unterton von dem eklig trockenen Geruch einer Schlangenhaut. Auch die Kälte konnte nicht allein vom Wetter herrühren. Sie presste sich zu energisch gegen meine Haut, mein Herz, meine Knochen.
    Ich sprang drei Stufen hinunter und landete hart auf knirschendem Kiesel. Fast wäre ich weggerutscht, konnte mich aber abfangen, hoch aufrichten – wie eine Ballerina! – und der Eule nachspringen. Hier befanden sich die Gärten, die schön sein mochten, wenn erst der Frühling kam. Jetzt jedoch waren die

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