Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
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Für einen Moment schwand ihr Lächeln. »Ich bin ein gut gehütetes Geheimnis. Falls die Nosferatu einen Verdacht hätten, würden sie jedes Gebäude von uns weit häufiger angreifen, sogar diese abgelegene Außenstelle des Ordens. Schon jetzt haben wir, obwohl Sie erst kurze Zeit hier sind, mehrere verletzte Schüler und einen spürbaren Anstieg an … Zwischenfällen.«
Ach, dann war also alles meine Schuld? Ha, dass ich nicht lache! Ein heißes, hässliches Gefühl regte sich in mir. Ich klappte meinen Mund zu. Minutenlang sahen wir einander an. Ihre Reißzähne zogen sich zurück, und die Locken wurden wieder fester, bis sie aussah wie eine Märchenprinzessin.
»Wir hoffen, dass die Attacke gegen die Schola eher Routine war, weil sie unsere Verteidigung testen wollten. Was allerdings unwahrscheinlich sein dürfte, nicht?« Sie neigte ihren vollkommenen Kopf. »Hoffentlich ist keiner entkommen, der etwas weitererzählen kann.«
Endlich fiel mir etwas anderes als ein Fluch ein. »Wo ist Graves?« Das hier war ja alles schön und gut, aber er war der Einzige, mit dem ich reden wollte. Ich brauchte ihn hier bei mir.
Dylan trat von einem Fuß auf den anderen. »Er ist im Schlafsaal.« Seine Reißzähne waren verlängert, und er sah unglücklich aus. Was sich lediglich in den etwas herabgezogenen Mundwinkeln äußerte, aber die wirkten so anders als seine übliche mürrische Miene, dass es echt erschreckend war. »Milady wollte dich kennenlernen, Dru. Das ist eine große Ehre für eine Schülerin im ersten Jahr.«
Wow, da werde ich ja ganz rot vor Stolz! »Warum? Ich meine, warum ist sie hergekommen, wenn ich so ein Riesenproblem bin?«
»Du bist kein Problem …«, begann Dylan, aber das Mädchen sah ihn an, und er verstummte so schnell, dass ich schon fürchtete, er könnte sich die Zunge abgebissen haben.
»Darf ich?« Sie neigte ihren Kopf wieder, und Dylan breitete hilflos seine Hände aus. Nun lächelte sie verhalten. Diese winzigen Reißzähne waren höllisch unheimlich, vor allem, wenn sie so katzenartig guckte. »Sie sind ungezogen, Miss Anderson. Sie sind kaum zwei Wochen hier und haben bereits einen Kouroi zum Duell gefordert, was unerfreuliche Folgen hatte. Sie scheinen überhaupt keinen Stolz zu besitzen, was Ihr Erbe betrifft. Das ist natürlich nicht Ihr Fehler, bedenkt man, wie Sie aufwuchsen, aber nichtsdestoweniger ärgerlich. Sie haben ein solches Potenzial, das Sie offenbar mit sinnlosen Regelverstößen vergeuden wollen.« Inzwischen war sie wieder sehr ernst und zog die Mundwinkel nach unten, als hätte sie etwas Ekliges geschmeckt, wäre aber zu höflich, es auszuspucken. »Das ist unsere Schuld. Wir haben nicht klar ausgedrückt, aus welchen Gründen wir tun, was wir tun, und ich gestehe, dass ich sehr beschäftigt war, um Vorkehrungen für Ihre Sicherheit ebenso wie die … Sicherheit aller anderen im Orden zu treffen. Die Arbeit daran nahm so viel meiner Zeit in Anspruch, dass ich Sie nicht früher kennenlernen konnte. Und … nun, ich vermute, ich sage es am besten, indem ich es einfach sage. «
Das hört sich überhaupt nicht gut an. Meine »Falsch«-Sirenen schrillten wie verrückt, und ich rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her, der plötzlich reichlich hart geworden war. Dylan hüstelte leise und räusperte sich. Seine dunklen Augen blitzten, aber ob das eine Warnung oder ein Allergieanfall war, konnte ich nicht erkennen.
Anna hob ihre schmale Hand. Zu allem Überfluss waren ihre Fingernägel auch noch pink lackiert. Mein Gott, jetzt fehlen nur noch ein Muff und ein rosa Handy mit Bernsteinbesatz! Ihr Geruch – nach Würze, Güte und warmem Parfum – erinnerte mich an etwas, aber ich kam nicht darauf, an was. Ich war viel zu sehr von ihrem makellosen Gesicht, der zarten Röte ihrer Wangen und ihren gebogenen Wimpern gebannt.
Mein nächster Gedanke kam unvermittelt und ernüchternd. Nicht in einer Million Jahre könnte ich so aussehen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das will.
»Wir wissen nicht, warum Reynard Sie vor Sergej gerettet hat«, fuhr sie in einem vertraulichen, nicht mehr besorgten und überheblichen Ton fort. »Hat er Ihnen eigentlich irgendetwas erzählt?«
Reynard? Ach ja, sie meint Christophe! »Er sagte, dass er zum Orden gehört und …«
»Das hat er gesagt?« Sie warf Dylan über meine Schulter hinweg einen Blick zu, wie es gewöhnlich Eltern taten. Oder Lehrer. Wie alt war das Mädchen? Sie sah wie achtzehn aus, was hier allerdings
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