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Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili St. Crow
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und er derselbe halberwachsene Junge war, auf den ich mich als Einzigen verlassen konnte, seit ein Zombie meine Küchentür eingetreten hatte.
    In weniger als einem Monat war mein ganzes Leben so aus den Fugen geraten, wie es allein die Echtwelt zustande brachte. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich es wieder richten könnte, aber Graves war hier und ließ mich nicht im Stich.
    Wir sahen einander schweigend an. Mein Hals war trocken. Ich war ziemlich sicher, dass mein Gesicht komplett dreckverschmiert war und mein Kopf nach Medusa aussah; trotzdem beugte ich mich ein wenig vor, und hätte Graves nicht sein Gesicht ein kleines bisschen zur Seite gedreht, wären meine Lippen nicht auf seiner Wange gelandet.
    Seine Haut unter den ersten Stoppeln war erstaunlich weich, und ich musste schniefen, weil meine Nase dicht war. Aber ich drückte ihm meinen Mund auf die Wange und fühlte mich wie eine Idiotin. Was hatte ich denn vorgehabt?
    Okay, Dru, Zeit, cool zu sein! »Danke. Ich meine, dass du mich hergebracht hast und so.« Ich wich zurück, denn plötzlich wurde mir allzu bewusst, dass ich nur Slip und BH trug, was beides ruiniert sein dürfte, und dass Graves in die Wanne gestiegen war, ohne auch bloß sein T-Shirt auszuziehen. Und ich hatte ganz bestimmt reichlich Dreck in meinem dämlichen Gesicht. »Du bist immer, na ja, da, wenn ich dich brauche. Danke.«
    Wie überaus eloquent formuliert!
    Oh Mann, Dru, verdammt, wie blöd ist das denn? Ich watete zur anderen Seite der Wanne und hoffte, der Wasserdampf würde die Röte verbergen, die mir vom Hals in die Wangen schoss.
    Graves hüstelte, was ich richtig anständig von ihm fand. »Kein Problem.« Er ging auf die Treppe zu, um aus der Wanne zu steigen, wobei er jede Menge Gebritzel verursachte. Als er herauskletterte, rutschte er weg und fing sich am Wannenrand ab. »Das erste Mal ist, na ja, gratis.«
    Wahrscheinlich war er genauso verlegen wie ich. Ich sank in die Wanne zurück und hielt mich mit einer Hand am Rand fest. Mir war, als könnten meine Arme und Beine jeden Moment den Dienst versagen.
    Eine lange Weile blieb ich bibbernd und zitternd im Bad, und das Einzige, was mich letztlich herauslockte, war der Gedanke, dass einer der Lehrer fürchten könnte, ich wäre ertrunken, und zu meiner Rettung herbeieilen würde.
    Oder mich womöglich umbringen würde. Denn es schien recht offensichtlich, dass die Schola, in der ich laut Christophe sicher wäre, ein verflucht gefährlicher Ort war.

Kapitel 11
    W enn man die ganze Nacht wach war, entsprach Mitternacht quasi Mittag. Es war noch nicht spät genug fürs Mittagessen, aber zu spät fürs Frühstück, und wenn man gejagt wurde und sich im Dreck gewälzt hatte, war man ja wohl sowieso nicht hungrig, oder?
    Ich schon. Ich war am Verhungern. Doch statt in der Cafeteria saß ich wieder einmal in Dylans Büro, wo ich auf die Regale mit Ledereinbänden glotzte und wartete. Es sah genau wie jedes andere Direktorenbüro aus. Graves war verschwunden, nachdem er mir einen Stapel frische Sachen durch die Tür der Mädchenumkleide gereicht hatte, die aus meinem Zimmer geholt worden waren.
    Das gefiel mir nicht, und es handelte sich lediglich um die ersten beiden Punkte auf der Liste von Dingen, die mir nicht gefielen. Jemand – vielleicht Graves selbst – musste in der Rosenholzkommode in meinem Zimmer gewühlt haben, und wer immer das gewesen war, hatte mir sogar einen Slip gebracht! Wie unheimlich! Gott sei Dank hatte ich nichts in den Schubladen versteckt! Immerhin ist die Unterwäscheschublade zwangsläufig die erste, an der jemand nach Verborgenem sucht.
    Und wo trieb Graves sich herum? Ich hatte ein merkwürdig kribbeliges Gefühl in der Brust, weil er nicht hier war, denn ich wollte ihn sehen.
    Mir fehlte ein freundliches Gesicht. Keiner sonst fiel in diese Kategorie, außer vielleicht Christophe, und der war nicht in der Nähe. Ich hatte nicht einmal die leiseste Ahnung, wo er steckte.
    Dylan war unterwegs und tat, was immer er zu tun hatte, wenn er mich gerade nicht anseufzte – oder er bereitete sich darauf vor, hereinzukommen und mich anzuseufzen. Folglich war ich ganz allein, mit frisch gewaschenen, tropfenden Haaren und zusammengebissenen Zähnen. Ganz zu schweigen von einem Schädel, der zum Bersten voll mit Fragen war, sowie Armen und Beinen, die sich nicht besonders stabil anfühlten. Ich hockte auf dem hochlehnigen geschnitzten Stuhl und starrte die Bücher an. Sie bildeten eine wahre Schatzgrube von

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