Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

machen, wie ein braver kleiner Djamphir? «
    »Bobby!« Graves drehte sich halb um, so dass sein Mantel aufflog und an seine Knie klatschte. »Ist ja gut!«
    »Kann sie eigentlich sprechen, wenn sie gerade keine Lehrer einschleimt?« Er reckte sich auf Zehenspitzen vor, und sein Knurren wurde tiefer. »Oder spielt sie dann nur die Süße bei dir? Jahaa, wie hübsch, so ein eigener kleiner Loup-garou- Bodyguard! Wieso ist sie überhaupt hier?«
    Gott! Ich hatte bisher noch kein einziges Wort mit diesem Jungen gewechselt. Und mir wurde klar, warum nicht. »Komm schon«, sagte ich und zurrte an Graves’ Ärmel, »gehen wir!«
    Er schüttelte mich ab und trat zwei Schritte vor. Er war groß, aber Shanks überragte ihn um mindestens einen halben Kopf. Trotzdem sah Graves weder beeindruckt noch im Mindesten ängstlich aus. »Fick dich, oder lass dich kastrieren! Beides wäre eine enorme Verbesserung.«
    Oh Gott! Musste das gerade in dem Moment passieren, in dem ich endlich mal eine Vorstellung von dem hatte, was ich tun konnte, statt immer nur abzuwarten und Gedanken zu wälzen? »Hört mal …«
    Fell kroch Bobbys dünne Wangen hinauf. »Halt ihn zurück, Schlampe!«, knurrte er, die Schultern nach vorn gekrümmt und zugleich angespannt. Es war immer wieder verstörend zu sehen, wie sich die Muskeln eines Wolfes aufblähten, das Haar überall spross und die Kiefer sich verformten. Bobby war nur halb verwandelt, aber das reichte schon.
    »Du Sch…« Weiter kam ich nicht, denn Graves entriss sich mir und schlug Bobby zu Boden. Die beiden flogen in einem Gewirr aus Fell und reißender schwarzer Baumwolle über die Rückenlehne der Couch, wobei sie die seltsamen Kläfflaute ausstießen, die sie manchmal auch von sich gaben, wenn sie sich gegenseitig anspornten.
    Nicht das auch noch! Ich ließ meine Tasche fallen, schwang mich über die Rückenlehne der Couch und fing an zu schieben. Die Wölfe waren ineinander verknäult und schrien irgendetwas. Tatsächlich schaffte ich es, einen von ihnen in der Kniekehle zu erwischen und nach vorn zu drücken. Und einen anderen schubste ich mit einer Kraft beiseite, die ich mir gar nicht zugetraut hatte.
    Beide rollten herum, Shanks halb gewandelt und reichlich herumlärmend, Graves knurrend und mit glühenden Augen. Und dann gelang Bobby ein Stoß mit dem Knie in Graves’ Weichteile.
    Als Nächstes knallte er Graves die Faust ins Gesicht.
    Ich hörte, wie sie aufprallte, Knochen knackte, und fast fühlte ich den Schmerz in meinem eigenen Gesicht.
    Graves! Etwas in mir machte »klick«. Brennender Zorn wallte in mir auf, kribbelte auf meiner Haut und zog mich zur Seite.
    Wieder verlangsamte die Welt sich, wurde zu klarem Sirup, der auf sämtlichen Oberflächen haftete, und ich stürzte nach vorn. Diesmal beschwerte kein Gewicht meine Arme und Beine; vielmehr nahm ich vage wahr, dass ich mich rasend schnell bewegte, ehe ich zutrat. Es gab ein Knirschen, seltsam verzerrt und in Überlautstärke, als mein Turnschuh im Gesicht des anderen Jungen landete. Er flog in Zeitlupe rückwärts, und der neue Wutschwall, der mich überkam, war klar und rein in seiner Intensität.
    Es war eine Flutwelle puren funkelnden Zorns, die mich in ein gläsernes Mädchen voller glitzernd roter Flüssigkeit verwandelte. Ich erwischte ihn noch zweimal mehr, ehe er auf dem Boden aufschlug. Beides gute, feste Tritte. Schließlich fiel er in die wirre Gruppe von Wölfen, deren Münder zum Schrei aufgerissen waren. Doch das Bild war merkwürdig tonlos, und die Wolfsgruppe löste sich sehr langsam auf.
    Ich war wieder bei Shanks, meine Hand an seiner Kehle, und drückte ihn durch den Sirup nach unten. Wie ein Schlafwandler hob er seinen Arm. Ich wich den Krallen aus, die mir die Wangen zerschlitzen wollten, und wehrte den Hieb mühelos mit dem Handgelenk ab. Danach setzte ich die Bewegung fort, zog meinen Arm weiter nach hinten und hörte Dads Stimme.
    Den Daumen nach außen, Dru! Klemmst du ihn in die Faust, brichst du ihn dir, wenn du diesen erbärmlichen Mistkerl schlägst. Ja, so ist es gut. Und jetzt los, gib’s ihm! Sehr gut, mein Mädchen!
    Die befremdlich gedehnten Geräusche um mich herum verpufften. Die Zeit wurde noch weiter gedrosselt, und ich wusste, dass es bald »schnapp« machen und alles wieder beschleunigt würde. Mir blieb noch genug Zeit, um ihm meine Faust auf die Nase zu knallen. Wahrscheinlich hätte ich sie ihm brechen können. Oder ich zielte etwas tiefer, zertrümmerte ihm den Kehlkopf,