Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
beladen mit Büchern, die wir auf mein Bett stapelten. Schließlich schlief ich ein, eines der Bücher an das Kopfteil gelehnt, und wachte erst im ersten Morgenlicht wieder auf.
Ich hätte länger schlafen können, doch ich hatte zu tun.
Kapitel 14
I ch duschte und flocht mir das Haar nach hinten. Der Flur fühlte sich seltsam an. Ich stand auf meiner Seite der Tür, die Hand auf dem kühlen Holz gespreizt, und spürte draußen jemanden, der aufmerksam lauschte. Es war dasselbe Gefühl, das ich früher bekommen hatte, ehe ich Dad sagte, ein bestimmtes Motel oder Haus wäre nicht sicher.
Er hatte mir nie widersprochen.
Also blieb nur eine Option, die mir nicht gefiel, die dennoch besser war, als schmollend herumzusitzen.
Fahles Sonnenlicht drang durch die ausgestanzten Löcher in den Eisenläden. Ich schob sie so weit wie möglich auf und mühte mich mit dem Fenster ab. Es aufzustemmen und gleichzeitig tunlichst keinen Lärm zu machen, war nicht einfach. Ein Schwall kalte Luft, die nach drohendem Regen duftete, drang herein, und ich sah in den toten Rosengarten hinunter.
Die Pflastersteine wirkten von hier oben sehr hart.
Es war ein tiefer Fall von hier, und ich schluckte. Hätte ich doch bloß ein Seil, verdammt!
Aber wenn Christophe es geschafft hatte, könnte ich es auch. Das Schlimmste, was passieren konnte, waren ein Beinbruch und ein Haufen Fragen, nicht wahr?
Ich hatte mir noch nie ein Bein gebrochen. Und die Fragen wären haarig. Alles hier war haarig.
Das ist eine blöde Idee, Dru.
Trotzdem musste ich es tun. Da jemand meine Tür bewachte, musste ich. Ich konnte nicht riskieren, dass jemand mir folgte, egal ob freundlich oder nicht. Und ich musste herausbekommen, ob es möglich war, tagsüber aus der Schola zu entkommen.
Also packte ich den Fensterrahmen, suchte Halt mit einem Fuß und hievte mich vorsichtig hoch, so dass ich auf dem Sims stand. Ich ermahnte mich, nicht nach unten, sondern nur auf die Mauer und den Dachüberstand zu sehen. Das Dach schien mit Schieferschindeln gedeckt zu sein, und der Winkel des Überstands war fies. Eine Regenrinne gab es nicht, was einerseits gut war, denn Regenrinnen brachen leicht ab, und andererseits schlecht, weil ich mich so nur an der Dachkante festhalten konnte.
Ich wandte meinen Rücken zum toten Garten, richtete mich auf dem Sims auf und griff mit einer Hand hinter mich nach oben.
Das ist eine Schwachsinnsidee. Überleg dir was anderes!
Das Problem war, dass ich keine Alternative hatte. Und Christophe hatte es geschafft, also würde ich es auf jeden Fall probieren. Nicht zu vergessen, dass ich, wenn alles glattging, meine Flucht schon eingeübt hätte. Und niemand würde vermuten, dass ich auf diesem Weg floh.
Ich war nicht so schnell, besaß weniger Kraft und weniger Durchhaltevermögen als die anderen, weil ich noch nicht »erblüht« war. Aber ich würde wetten, dass ich alle anderen hier in der Gripskategorie ausstach. Das war alles, womit ich punkten konnte.
Und wieso willst du dann so etwas Bescheuertes machen?
Ich befahl der Stimme der Vernunft, sie sollte sich verziehen, und krümmte meine Finger um die Kante des Dachüberstands. Der Winkel war nicht richtig schlecht, eben nur ein bisschen ungünstig. Ich schloss die Augen und atmete ruhig ein und aus. Der Schiefer fühlte sich alt und körnig an. Jetzt wurde mir klar, woher Christophe das rote Zickzackmuster an den Händen gehabt hatte.
Ich griff auch mit der anderen Hand nach der Dachkante. Dann ging ich wieder und wieder im Kopf durch, was ich tun musste, genau wie Dad es mir eingetrichtert hatte, als ich schießen lernte. Die halbe Miete ist, es in deiner Birne klarzukriegen, Dru, Kleines, dann weiß dein Körper, was er im entscheidenden Moment machen soll. Sieh es dir im Geist an, mal dir genau aus, wie du es anstellst!
Ich hatte nur einen einzigen Versuch. Meine Arme spannten und entspannten sich, übten. Ich konzentrierte mich vollkommen auf meine Mitte und horchte.
Mein Herz schlug in einem beruhigenden Rhythmus; mein Atem wurde gleichmäßig, leise und tief. Der nasse Zopf baumelte mir über den Rücken und bewegte sich, als mein Körper sich auf dem Sims ausbalancierte, das Gewicht nach vorn auf meinen rechten Fußballen verlagert. Meine Fersen hingen in der Luft, und die kühle Morgenbrise streifte an mir vorbei ins Zimmer.
Einatmen, ausatmen. Ich fühlte das Kribbeln auf meiner Haut. Winzige Muskelbewegungen hielten das Gleichgewicht, denn man stand nie vollkommen still.
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