Strange Love (German Edition)
hätte es ihm auch nicht erzählen können.
Er runzelte die Stirn. »Geht’s dir gut heute?«, fragte er schließlich.
Cerys sah ihn an. »Ja, ich meine – ich bin total erschöpft, aber ansonsten ...«
Er nickte und sah sie nachdenklich an. Es schien, als wisse er mehr, als er sagen wollte.
Nachdenklich sah Cerys zu, wie Nick eine Kiste Bier und ein paar andere alkoholische Getränke in seine Wohnung schleppte. Sie wusste, dass Julian, Ray und John vorbeikommen wollten, dass sie allerdings das alles austrinken konnten, daran zweifelte sie. Irgendetwas ärgerte sie daran, dass die drei sich bei Nick eingeladen hatten, aber er hatte offensichtlich ganz gute Laune.
»Wir wollen heute ein paar neue Songs anspielen, für das nächste Album«, sagte er, als er die Flaschen in der Küche verstaut hatte. Es klang entschuldigend, und das erschien Cerys unpassend und war ihr peinlich.
Sie nickte knapp und verzog sich in ihr Zimmer. Es war wohl besser, wenn sie den Abend in ihrer eigenen Wohnung verbrachte. Hier würde sie eh nur stören.
Die Situation wurde für sie immer schwieriger. Sie konnte oft nicht nachvollziehen, was Nick tat und mit ihm zusammen in einer Wohnung zu leben, in dieser gottverdammten Spannung, raubte ihr den letzten Nerv.
Manchmal dachte sie, sie müsste heulen, doch dann wusste sie nicht, warum eigentlich.
Sie packte ein paar Sachen in ihren Rucksack und sagte Nick, dass sie erst am späten Abend wiederkommen würde. Falls Daniel früher käme und schon ins Bett wollte, könnte er ruhig ihres benutzen.
Nick zuckte mit den Schultern und sah ihr nach, bis sich die Haustür hinter ihr schloss.
Er fragte sich, ob er sie schon wieder irgendwie gekränkt hatte.
Als Cerys später zurück in Nicks Wohnung kam, fiel ihr sofort auf, dass Daniel nicht da war. Sie hörte Nicks, Julians und Rays Stimme. John lachte dröhnend, und ihr war klar, dass Daniel nicht bei ihnen war.
Es war schon gegen halb zwölf, und sie wusste, dass er um diese Uhrzeit üblicherweise nicht mehr allein unterwegs war.
Nicks Wohnung roch nach Zigaretten und Alkohol, und Cerys hoffte, dass Nick die Finger vom Alk gelassen hatte. Aber sie war auch nicht verantwortlich für das, was er seinem Körper antat. Es tat ihr nur so unglaublich weh.
Leise ging sie den Flur entlang, in Nicks Schlafzimmer, wo Daniel seine Klamotten aufbewahrte – doch seine Tasche und sein Rucksack waren weg. Sie sah unter dem Bett nach, öffnete sogar Nicks Schrank, doch von Daniels Sachen keine Spur.
Mit klopfendem Herzen trat Cerys in das Wohnzimmer und wartete, bis Nick sich zu ihr umgedreht hatte. Sie erkannte, dass er bis unter die Schädeldecke voll mit Drogen war, doch trotzdem musste sie es ihm sagen.
Auch Ray und Julian starrten sie mittlerweile an.
Leise sagte sie: »Daniel ist weg.«
Nick verließ seine Wohnung mit einem kräftigen Brummschädel. Er fühlte sich elend, seine Beine waren wie Wackelpudding. Er hatte gestern eindeutig über die Stränge geschlagen. Er hatte nicht einmal realisiert, was Cerys ihm gesagt hatte! Daniel hatte sich aus dem Staub gemacht! – Verdammt, er war abgehauen!
Die gähnende Leere, die ihn überfiel, war unangenehm und erfüllte ihn mit Schmerz.
Es nieselte leise, aber das war ja fast alltäglich, und es hatte ihn auch noch nie gestört. Langsam wandte er sich nach links und ging die Straße hinunter, Richtung U-Bahnstation. Vorbei an den wunderschön restaurierten alten Wohnhäusern.
Tatsächlich lag auch Nicks Wohnung in einer dieser wunderschönen alten Villen.
Doch heute nahm er das alles gar nicht wahr. Er war viel zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Die Außenwelt war wie im Nebel, jagte an ihm vorbei, obwohl er relativ langsam ging. Seine Beine schmerzten. Er fühlte sich uralt, als er die Stufen hinunter in die U-Bahn-Station stieg.
Es war sehr voll, doch niemand erkannte ihn. Und dafür war er auch dankbar. Die Leute, die an ihm vorbei hasteten, waren überwiegend auf dem Weg nach Hause. Nick fragte sich, ob sie ihre miese Stimmung auch im trauten Heim beibehielten.
Einen Moment lang überlegte er, ob er sich eine Zeitung kaufen sollte, aber eigentlich hatte er kein Interesse am Tagesgeschehen. Es schien ihm alles so fern.
An einem Automaten zog er sich ein einfaches Ticket; er wollte zu Chris, vielleicht würde er auch dort übernachten.
Automatisch schob er das Ticket in einen der Metallkästen und passierte die Schranke. Mit der Rolltreppe fuhr er weiter
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