Strasse der Sterne
Camino werden mit den Halunken schon fertig, verlass dich drauf!«, sagte Moira aufgeregt.
»Hast du noch immer nicht genug?« Als Caminos Widersacher wutschnaubend wieder hochkam und mit der Faust ausholte, versetzte er ihm treffsicher einen Schlag.
Tariq hatte in der Zwischenzeit den Zweiten zu Fall gebracht. Ineinander verschlungen wälzten sie sich im Staub.
»Das Messer, Tariq! Er hat es in der Linken!« Moiras Schrei gellte durch die Luft.
Doch bevor der Maure reagieren konnte, sauste bereits der Knüppel auf den Angreifer herab. Er rührte sich nicht mehr. Tariq kroch unversehrt unter ihm hervor.
»Das nenn ich einen guten Schlag!« Anerkennend musterte Camino die junge Frau, die atemlos neben ihm stand, den Knüppel noch immer in der Hand.
»Man muss sich wehren«, sagte sie, »solange man kann. Aber was ist mit ihm?« Sie kniete neben dem Bewusstlosen. »Armando!«, rief sie und schüttelte ihn. »Sag doch etwas!«
»Du darfst ihn nicht bewegen«, sagte Camino und kniete sich neben sie. »Kann sein, dass sein Kopf verletzt ist. Wie heißt dein junger Gefährte?«
»Armando.«
»Armando?« Camino öffnete seine Umhangschlinge, dann griff er ihm in den Mund. »Nichts Erbrochenes«, murmelte er. »Das ist gut.« Er sah sich suchend um. »Seine Tasche!«, verlangte er.
»Wozu?«, fragte sie.
Er schob sie ihm unter den Kopf.
»Ist besser, wenn er etwas höher liegt.«
»Die Kerle machen sich davon«, rief Tariq. »Soll ich ihnen hinterher?« »Ich denke, für heute haben sie genug. Kümmern wir uns lieber um Armando.«
Der Liegende schlug die Augen auf, als habe ihn der Klang seines Namens aus der Ohnmacht geweckt.
»Wo bin ich?«, fragte er.
»Auf dem Boden«, erwiderte Camino trocken. »Ein Schlag auf den Kopf hat dich ohne Umweg dorthin befördert. Aber du wirst es überleben.«
»Wo ist der Kelch?«
»Welcher Kelch?«, fragte die junge Frau. »Er spricht wirr! Ich bin es, Estrella! Erkennst du mich denn nicht?«
»Meine Tasche ...« Fahrig begannen Armandos Hände zu zucken. Er versuchte, sich aufzurichten. »Der Kelch. Ich muss unbedingt ...«
Mit sanfter Gewalt drückte Camino ihn auf den Boden zurück.
»Unter deinem Kopf«, sagte er beruhigend. »Ganz ruhig, junger Freund! Jetzt kann dir nichts mehr passieren!«
*
Kloster Juan de la Peña, Juni 1246
Silos wartete, bis aus dem Dormitorium laute Schnarchgeräusche drangen. Jetzt war im Kloster keiner mehr wach. Sogar den Platz unter der tropfenden Quelle hatte er heute dem Reumütigen verwehrt.
Mit einer Kerze in der Hand stieg er die Stufen zur Krypta hinab. Er brauchte beide Hände, um den ausgehöhlten Stein zur Seite zu rücken. Weiß leuchtete das gesalbte Tuch mit den goldenen Stickereien im schwachen Licht. Behutsam entfernte er es. Ein Lächeln verschönte sein Gesicht.
Alle Investitionen hatten sich gelohnt.
Die für den Edelsteinschleifer, der die Achatschale geformt hatte. Die für den Venezianer, der mit falschen Perlen und
Edelsteinen handelte, echten täuschend nachgebildet. Und die für den alten Goldschmied, der die Halterung nachgeformt hatte, grazil und leicht wie die des Vorbilds. Keiner von ihnen würde reden. Die Ersteren lebten zu weit entfernt; Letzterer war im vergangenen Winter zu Gott gegangen.
Silos' Ahnungen hatten sich bestätigt. Eines Tages würde jemand kommen, um den Schatz zu stehlen. Zu hell erstrahlte der Glanz jener Schale, zu weit reichte ihr Ruhm über die Grenzen des Königreiches hinaus. Er hatte sie in den Augen jenes jungen Mannes gelesen, der als Pilger an die Pforte geklopft hatte, die Gier nach dem Gefäß, das Jesu Blut geborgen hatte. Und war beinahe erleichtert gewesen, dass es endlich so weit war.
Alles Weitere war ein Kinderspiel! Alles verlief planmäßig.
Je strenger und unzugänglicher er sich dem Fremden gegenüber verhielt, desto verzweifelter wuchs dessen Wunsch, das Kostbarste an sich zu bringen.
Das Lächeln des Abtes vertiefte sich.
Irgendwann würde jener Törichte herausfinden, dass er eine wertlose Kopie gestohlen hatte. Sogar das Gold, mit dem die Halterung beschichtet war, war nichts wert. Dünnes Blattgold, das abging, wenn man zu fest daran rieb.
Er hob den Kelch an seine Lippen und küsste ihn inbrünstig. Freude durchströmte ihn. Alles war, wie es sein sollte. Und würde so bleiben, weit über die Dauer seines eigenen irdischen Lebens hinaus, dafür hatte er Sorge getragen.
Es gab nicht nur eine Kopie. Er hatte gleich mehrere anfertigen
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