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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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deuten. Sie murrte nicht über den Eintopf aus weißen Bohnen und Schweinebacken, der ihnen im Hospiz aufgetischt wurde, nicht einmal über das harte Brot, das es dazu gab. Immer wieder glitten ihre Blicke zu Armando, der ihr gegenüber aß, wagte aber nicht, ihn anzusprechen.
    Kaum waren sie fertig, stand Tariq auf. Wieder einmal war so gut wie nichts für ihn dabei gewesen. Sein Gesicht war im Lauf der Reise immer mehr eingefallen, aber auf seine Kraft konnte er sich nach wie vor verlassen. Allerdings gab es Nächte, wo er von Speisen zu träumen begann, die ein hungriger Moslem guten Gewissens zu sich nehmen durfte.
    »Ich geh es jetzt holen«, sagte er. »Hinten im Garten hab ich das geeignete Plätzchen entdeckt.«
    »Ist es hell genug?«, fragte Moira.
    »Ich habe zwei Öllampen besorgt. Damit sollte es gehen.«
    Pilar schluckte vor Aufregung. Erst eine Stunde war es her, dass Tariq ihr von dem Vermächtnis erzählt hatte. Es gab offenbar Aufzeichnungen, die möglicherweise viele ihrer Fragen beantworten konnten. Rena, ihre geliebte Mutter, würde nicht länger eine Fremde bleiben.
    Sie ließ sich von Moira in den Garten führen. Im hinteren Teil, vor verwilderten Brombeersträuchern, stand eine Holzbank. Tariq hatte von drinnen einen Tisch geholt, auf dem die Lampen schon leuchteten. Zwischen ihnen lag die lederne Mappe. Vorsichtig ließ Pilar die Fingerspitzen darüber gleiten. All die Jahre hatte sie den Brief als einziges Andenken in Ehren gehalten. Und jetzt warteten viele, viele eng beschriebene Seiten auf sie.
    Moira betrachtete sie voller Zuneigung.
    »Du bestimmst, wie wir es machen«, sagte sie. »Wie viel ich lesen und wann ich aufhören soll. Ich hoffe nur, ich komme einigermaßen damit klar. Deine Mutter hat eine sehr
    eigenwillige Handschrift.« Sie setzte sich aufrecht hin und schlug die Mappe auf. »Was willst du denn hier?« Ihr Ton war plötzlich barsch.
    »Wollte nur mal sehen, was ihr macht«, erwiderte Estrella. »Scheint ja etwas ungeheuer Wichtiges zu sein, so geheimnisvoll, wie ihr plötzlich tut.«
    »Verschwinde! Das hier geht dich nichts an«, sagte Moira.
    »Ich glaube, sie fühlt sich einsam«, sagte Pilar, als Estrella fort war. »Seit León ist sie so verhalten.«
    »Das wird sich schnell ändern, sobald wieder Münzen in ihrem Beutel klingeln«, erwiderte Moira. »Kümmere dich nicht um sie. Frauen wie sie kommen gut allein zurecht. Bist du bereit?«
    »Ich bin bereit.«
    »Dann höre.«
    »>Er kam wie verabredet, mit den Schatten der Dämmerung. Mein Herz begann zu rasen, als ich seine hohe Gestalt mit dem rotblonden Haar erblickte ...<«
    Schritte, die sich rasch näherten.
    «Ja?« Moira schaute ungehalten auf.
    »Camino?«, fragte Pilar. »Bist du das?«
    »Ja, ich bin es.« Die Stimme verriet, wie bewegt er war. »Darf ich auch zuhören?«
     
    *
     
    Auf dem Weg zum Rabanalpass, Juli 1246
     
    Astorga mit seinen Stadtmauern aus der Römerzeit lag hinter ihnen, eine schnell wachsende Stadt, die Eisen- und Goldfunde reich gemacht hatten. Jetzt stand der Aufstieg zum Rabanalpass bevor. Andere Pilger hatten ihnen mit respektvoller Stimme davon berichtet: von den Steinen, die der Nebel so glitschig machte, dass man ausrutschen konnte; von wilden Tieren; von einem Wirt, der Wanderer in seine Schänke lockte und dort so lange bedrohte, bis sie ihm alles überließen, was sie besaßen.
    Die Landschaft stieg zunächst gemächlich an; in Catalina füllten sie ihre Wasservorräte auf. Nach und nach blieben die Büsche hinter ihnen, und der Niederwald begann. Die Sonne hatte sich hinter dicken Wolken verzogen; Schauer waren zu erwarten.
    »Ultreja!« Zum ersten Mal in dieser Einöde hörten sie den Pilgergruß. Es war ein Mann aus Lyon, der zu Santiago pilgerte, weil seine Frau eine schwere Krankheit überstanden hatte. Camino unterhielt sich eine Weile mit ihm, dann wurde dem Pilger ihr Tempo zu langsam, und er ließ sie mit einem Segenswunsch zurück.
    Der Weg wurde steiler. Ein Eichenwald brachte kurze Abwechslung, dann war das Gelände wieder steinig und karg. Es nieselte; dazu blies ein kalter Wind.
    »Werden wir Rabanal heute noch erreichen?« Armando zog seine Mütze tiefer über die Ohren.
    »Das müssen wir, wenn wir nicht im Freien übernachten wollen«, sagte Camino. Er musterte ihn. »Könnte es sein, dass du schon den ganzen Tag um mich herumschleichst?«
    »Ich muss mit dir reden. Und zwar, bevor wir nach Ponferrada kommen.«
    »Ponferrada? Dort steht doch die große

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