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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Templerburg.«
    »Deshalb muss ich ja wissen, was ich tun soll. Vielleicht kannst du mir zu mehr Klarheit verhelfen.«
    »Fang an!«, sagte Camino.
    »Angenommen, ein junger Mönch hätte sich auf eine Reise begeben, um den heiligsten aller christlichen Schätze zu finden. Weiter angenommen, dies sei ihm schließlich gelungen. Er trägt ihn mit sich, glaubt aber, er könne ihn nicht mehr guten Gewissens nach Hause bringen, weil er unterwegs seine Gelübde gebrochen hat. Ist er dann überhaupt noch wert, der Bote zu sein?«
    Camino hatte aufmerksam zugehört, und der Tonfall des Jungen erzählte ihm auch das, was seine Worte nicht preisgaben.
    »Gehorsam war für mich stets die schwerste aller mönchischen Tugenden«, sagte er. »Für andere war es die Keuschheit. Aber ich muss dir gestehen, dass ich auch gegen dieses Gebot verstoßen habe.«
    Armando runzelte die Stirn.
    »Nur wenige Menschen sind für dieses strenge Leben geeignet«, fuhr Camino fort. »Es ist wichtig, sich vorher darüber klar zu werden, ob man zu diesen wenigen gehört. Sonst endest du eines Tages wie ich: ein Wanderer ohne Ziel. Ich hatte sogar Angst, meine früheren Brüder würden mir irgendwo auflauern, um mich zu bestrafen. Aber sie haben offenbar anderes zu tun, als sich um Abtrünnige zu kümmern.«
    »Bereust du, dass du ein Templer warst?«
    »Ein Teil von mir wird es immer bleiben«, sagte Camino. »Dazu habe ich Gott zu lange mit Schwert und Herz gedient. Aber ich wäre viel lieber mit der Frau glücklich geworden, die ich geliebt habe. Jetzt höre ich Abend für Abend wieder ihre Stimme. Und glaube mir, Armando: Ihr Vermächtnis ist das schönste Geschenk, das sie mir machen konnte, und bedeutet gleichzeitig für mich die größte Pein.«
    Sie mussten einem Fuhrwerk ausweichen, das mit Strohballen beladen war. Walli wieherte unruhig, als die Ochsen an ihr vorbeizogen, ließ sich von Tariq aber wieder besänftigen.
    »Vielleicht sollte ich tatsächlich zugunsten eines Würdigeren zurücktreten«, sagte Armando. Atemlos hatte er gelauscht und dabei offenbar die durchsichtige Konstruktion seiner Geschichte völlig vergessen. »Zugunsten eines Bruders, der Gott nicht enttäuscht hat.«
    »Um dich aus der Verantwortung zu stehlen? Mach es dir nicht so einfach! Wer von uns kennt schon Seinen Willen? Wir können in Übereinstimmung mit den göttlichen Gesetzen handeln und dennoch in Schwierigkeiten und tragische Verstrickungen geraten. Es ist die schmerzhafte Wahrheit, dass wir nicht wissen, wieso Gott das Böse zulässt. Und was die Frage der Keuschheit betrifft: Noch hast du den endgültigen Eid nicht geschworen, oder?«
    »Nein«, sagte Armando »Noch nicht.«
    Durchnässt und müde geworden von starken Böen, die das Vorankommen erschwerten, erreichten sie nach Einbruch der Dämmerung das Hospiz San Gregorio. Pilar fieberte bereits Moiras Stimme entgegen; die endlosen Tage, an denen sie sich weiter westwärts kämpften, schienen ihr nur noch dazu da, die abendlichen Eindrücke zu verarbeiten. Bis in ihre Träume verfolgte sie die Geschichte Blancas. Es fiel ihr nicht schwer, in Oswald von Lichtenfels Camino zu erkennen. »So sehr hat sie dich geliebt!«, stieß sie zwischendrin hervor.
    »Und ich sie nicht minder«, erwiderte er.
    Und wenn er doch ihr Vater war? Was war dann mit ihrer Liebe zu Papa, die sie empfunden hatte, seit sie denken konnte?
    Moira hatte Tariq versprochen, Pilar das Vermächtnis vorzulesen, aber je weiter sie kamen, desto schmerzlicher war es für sie. Mit jeder Seite liebte sie Camino mehr. Gleichzeitig aber begann sie schier zu verzweifeln. Was sollte sie tun? Selbst wenn er den Orden verließ und nicht länger als Mönch lebte einer Frau würde er sich kaum in Liebe zuwenden können. Weil es für ihn niemals eine außer Blanca geben würde.
    Sie brütete über Suppe und Brot, dankbar für die lateinische Tagesepistel, die sie zwar nicht verstand, die ihr aber das Reden ersparte. Kaum war die Lesung beendet, stand sie auf und forderte Camino und Pilar auf, sich ihr anzuschließen.
    Der Regen hatte aufgehört. Zögernd blitzten vereinzelte Sterne zwischen den Wolkenbergen hervor. »Merkst du nicht, wie sie uns ausschließen?«, sagte Estrella. »Es wird jeden Tag schlimmer.«
    Sie war Armando hinaus auf die Straße gefolgt. Er sah sich nach allen Seiten um. Aber jetzt gab es kein Ausweichen mehr für ihn.
    »Es geht uns beide doch nichts an«, sagte er. »Es ist allein Pilars Angelegenheit.«
    »Ach, dieser Camino

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