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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht in einer Stadt mit vielen Schänken und vollen Gaststuben geblieben?«
    Keiner verspürte Lust, ihr zu antworten, was ihre Laune nicht verbesserte. Mit finsterer Miene ging sie langsamer, bis sie neben Pilar angelangt war.
    »Kommst du eigentlich weiter mit ihm?«, rief sie hinauf. »Oder weicht unser Freund Armando dir auch immer aus?«
    »Armando? Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Pilar kühl.
    »O doch, das weißt du.« Estrella lächelte. »Du weißt es sogar ganz genau.«
     
    *
     
    Ponferrada, Juli 1246
     
    Die Templerfestung über dem Flusstal beherrschte die Silhouette von Ponferrada, das sie in der Abenddämmerung empfing. Der Anblick der Mauern und hohen Rundtürme, die stark und uneinnehmbar wirkten, ließ Armandos Befangenheit wachsen. So lange hatte er sich danach gesehnt, endlich einer von ihnen zu sein - ein Tempelritter mit stolzem Pferd und weißem Mantel! Aber seit er auf der Straße der Sterne unterwegs war, war nichts mehr wie zuvor.
    Camino schien seine Gemütslage zu erahnen.
    »Du kannst dich noch immer anders entscheiden«, sagte er, als sie die Brücke über den Sil überquerten. »Geh hinauf zur Burg und tu, was du für richtig hältst. Ich habe dir nur gesagt, was ich glaube. Wenn du aber meinst, deinen Schatz ...«
    »Nicht ein Wort mehr!«, flüsterte Armando. Estrella spitzte bereits die Ohren. »Nein, ich werde nicht zur Burg gehen. Du hast mich überzeugt. Ich führe auf meine Weise zu Ende, was ich begonnen habe.«
    Auch Camino konnte sich der Wirkung der dicken Mauern nicht entziehen. Hier war der Ort, wo die Templer sich vor Jahren versammelt hatten, um über die Teilnahme am Kreuzzug des deutschen Kaisers zu beraten. Friedrich war gebannt, exkommuniziert, vom Papst verstoßen. Schien es nicht gerade deswegen notwendig, genau im Auge zu behalten, was er im Heiligen Land tat?
    Wochenlang hatten sie damals ergebnislos beraten. Endlose Wochen, in denen Blanca in León festsaß und seine Hilfe dringend gebraucht hätte. Wochen, in denen ihre Schwangerschaft fortschritt und sie sich von ihm verlassen und verraten gefühlt hatte ...
    Tränen stiegen ihm in die Augen.
    Er konnte das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Jetzt blieb ihm nur, Abend für Abend Moiras klarer Stimme zu lauschen, mit der sie die Vergangenheit heraufbeschwor und damit erneut die Wunden aufriss, die nie ganz verheilt waren. Und das Spiel wechselvoller Empfindungen in Pilars Zügen zu betrachten. Sie schien Blancas niedergeschriebene Worte geradezu aufzusaugen.
    War er ihr Vater?
    Je länger er das blinde Mädchen kannte, desto nebensächlicher wurde diese Frage für ihn. Er liebte Blancas Tochter väterlich, ihre Tapferkeit, ihren Stolz, aber er verstand auch die Mutlosigkeit, die sie manchmal überfiel. Pilar weckte eine tiefe Zärtlichkeit in ihm. Denn er wusste, worauf sie verzweifelt hoffte - auf das Wunder, das Santiago an ihr bewirken sollte. Manchmal wurde er traurig, wenn er daran dachte, was geschehen würde, wenn es ausbliebe. Vielleicht war er deswegen darauf gekommen. Zunächst hatte er sich dagegen gewehrt, weil es ihm zu gefährlich erschien, mittlerweile aber stand für ihn fest, dass er alles tun würde, um ihr zu helfen. Vielleicht musste Pilars größter Wunsch nicht unerfüllt bleiben.
    Sie nahmen Quartier wie jeden Abend, verzehrten das Pilgermahl und besuchten anschließend die Abendandacht in einer kleinen Marienkapelle.
    »Willst du, dass ich weiterlese?«, fragte Moira beim Hinausgehen. »Oder bist du heute zu müde dafür?« »Nein, du musst lesen, bitte!«, sagte Pilar. Sie reckte ihren Hals. »Seht ihr irgendwo Armando?«
    »Der kniet noch immer vor der Jungfrau Maria«, sagte Camino und tauschte einen raschen Blick mit Moira. »Sieht aus, als hätte er viel mit ihr zu bereden.«
     
    *
     
    Villafranca del Bierzo, Juli 1246
     
    »Bis zur Puerta del Perdön haben wir es jedenfalls geschafft.« Armandos Stimme hatte einen seltsamen Unterton. »Pilger, die zu schwach oder krank sind, um weiterzureisen, erhalten die Absolution, sobald sie dieses Tor durchschritten haben.«
    »Aber das gilt doch nicht für uns«, sagte Pilar. »Denn wir sind weder schwach noch krank. Wir pilgern weiter westwärts, zum Grab Santiagos.«
    »Ihr pilgert weiter. Ich muss euch leider früher verlassen.« Plötzlich schien es kälter geworden zu sein in der Jakobskirche von Villafranca del Bierzo.
    »Du gehst nicht mit bis nach Compostela?«, sagte sie kleinlaut.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich kann

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