Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »Weshalb nicht?«
    »Ich muss etwas erledigen. Aber manchmal überfällt mich große Angst, dass ich es nicht schaffen werde.«
    »Das Gefühl kenne ich«, sagte Pilar. »In mir gibt es eine hässliche Stimme, die umso lauter wird, je mehr mein Mut schwindet.« Sie schluckte. »Neulich nachts, als ich dich mit Estrella gehört habe, war sie ganz besonders laut.«
    »Lass uns hinausgehen.« Ganz leicht berührte er ihren Arm.
    Draußen, im Sonnenlicht, atmeten sie auf.
    »Manche Kirchen sind so dunkel und schwer«, sagte Pilar. »Als sei das ganze Leid und die Trauer der Menschen ...«
    »Vergiss Estrella!«, unterbrach er sie. »Sie hat mit mir gespielt, wie es ihre Art ist. Und ich war so schwach, mich darauf einzulassen. Mir liegt nichts an ihr, das musst du mir glauben. Nein, Pilar, wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich ...«
    »Ja?«, sagte sie.
    »Ich mag dich. Sehr sogar. Du berührst etwas in mir, was ich bisher noch nicht gekannt habe.«
    »Weil ich blind bin?«
    »Weil du Pilar bist. Aber ich habe frommen Männern ein Versprechen gegeben und kann und will es nicht brechen. Verstehst du das?«
    Ihr Nicken kam sehr zögernd.
    »So wie Camino«:, sagte sie leise. »Als er ein Templer war und sich Oswald von Lichtenfels nannte. Meine Mutter ist daran gestorben. Lange schon, bevor der Tod sie tatsächlich erlöst hat.«
     
    *
     
    Cebreiro, Juli 1246
     
    Eine gebückte Gestalt erwartete sie am Straßenrand kurz vor Cebreiro.
    »Ihr kommt spät«, sagte der Mann vorwurfsvoll in einem rollenden Spanisch, als sie nah genug gekommen waren. Er steckte in einer mehrfach geflickten Kutte und war barfuß. Ein dünner Kranz weißer Haare lag um seinen runden Schädel. Seine Augen waren leuchtend blau. Camino erinnerte er an Frater Niccolo, den Hüter des verschneiten Gotthardpasses. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dass er ihm begegnet war.
    »Was soll das heißen?«, erwiderte Armando, der Walli führte. »Es ist noch nicht einmal ganz dunkel.«
    »Das werdet ihr schon sehen. Folgt mir!«
    Erstaunlich behände übernahm er die Führung. Seinen bloßen Füßen schien der unebene Steinweg nichts auszumachen. Nach ein paar Kehren tauchten runde Gebäude mit spitzen Strohdächern auf, manche von ihnen geschickt in die Bergflanke hineingebaut.
    »Was ist denn das?«, entfuhr es Moira.
    »Was hat sie gesagt?« Ihr Führer blieb stehen und wandte sich misstrauisch an Armando.
    »Sie hat nach diesen ... Kugeln gefragt«, übersetzte er. »Sie möchte wissen, worum es sich handelt.«
    »Pallozas«, sagte der Weißhaarige und setzte sich wieder in Bewegung. »Unsere Häuser für Menschen und Tiere.«
    Armando gelang es schließlich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Fra Umberto war sein Name, und er lebte als Einsiedler in seiner Klause. Jahrelang hatte er mit keinem Menschen ein Wort gesprochen. Vor kurzem aber war er Zeuge eines Vorfalls geworden, der ihn bewogen hatte, sein Schweigen zu brechen.
    »Das Wunder von Cebreiro«, sagte Fra Umberto bewegt. »Jesus Christus hat es bewirkt.«
    Er war aufgeregt, als sie die kleine dreischiffige Kirche betraten. Dass Tariq draußen blieb, kommentierte er mit einem kurzen Brummen. Drinnen brannten einige Kerzen, hell genug, um die Marienskulptur mit dem Kind zu beleuchten.
    Alle beugten ihre Knie vor der Madonna, auch Pilar.
    »Wie sieht sie aus?«, flüsterte sie Camino zu, der sie hereingeführt hatte. »Ich kann sie spüren. Sie ist ganz hell und warm.«
    »Wie ein Bauernmädchen«, sagte er leise. »Obwohl sie eine prachtvolle Krone trägt. Und das Jesuskind lächelt verschmitzt, als hätte es gerade einen Apfel vom Nachbarn gestohlen.«
    »Weiter, weiter!«, drängte Umberto. »Das ist es nicht, weshalb ich euch hierher geführt habe.«
    Er öffnete einen hölzernen Schrein.
    Und dann hielt er ihn in der Hand, einen kleinen goldenen Kelch, der im Kerzenschein schimmerte. Zwei Wappen zierten ihn. Um den schlanken Fuß verlief eine getriebene Leiste.
    »Und das ist geschehen: Ein Mönch las allein die Messe«, sagte der Einsiedler. »Er war wenig davon angetan, dass nur ein einziger Mann zum Gottesdienst erschienen war, ein Bauer aus einem weit entfernten Weiler, und dies auch noch viel zu spät, weil Sturm und Wind ihn unterwegs aufgehalten hatten. Der Pater ließ ihn seinen Unwillen spüren, bis zum Augenblick der Wandlung.«
    Er hielt inne. Armando glaubte zu spüren, wie sein Blick ihn verbrannte.
    »In diesem Augenblick verwandelte die Hostie sich in

Weitere Kostenlose Bücher