Strasse der Sterne
Tochter. Deine Schwester!«
Er fiel in sich zusammen.
Blindlings griff Pilar in die Luft, bis sie Moiras Hand zu fassen bekam.
»Lies, Moira«, flüsterte sie. »Du musst lesen. Bis zum Ende. Ich will endlich alles erfahren!«
VERMÄCHTNIS 8
RENATA
León, Winter 1228
Ein gellender Schrei.
Mit aufgerissenen Augen starrte Angelita uns an. Hinter ihr sah ich Carmela und Tariq ins Zimmer laufen. Und ich hörte, wie auch Sancha die Treppe heraufkeuchte.
Es waren eindeutig zu viele Augenzeugen für das, was Diego vorhatte. Die Gefahr war gebannt.
Mit steinerner Miene zog er sich den Dolch aus dem Arm. Er blutete, aber nicht besonders stark.
»Was glotzt ihr mich an?«, knurrte er. »Ein Unfall, nichts weiter.« Es schien ihm egal, dass alle ihn ungläubig anschauten. »Holt frisches Leinen für die Wunde. Und ihr beiden«, ein Blick zu Carmela und Tariq, »sorgt dafür, dass hier alles in Ordnung gebracht wird. Sofort.«
Sancha brachte mich in mein Zimmer zurück. Obwohl ich mir alle Mühe gab, konnte ich mein Zittern nicht verbergen.
»Was ist geschehen?«, fragte sie. »Rede! Das war niemals ein Unfall!«
»Du würdest es ohnehin nicht glauben«, sagte ich müde.
»Diego ist ein Teufel. Sei froh, dass du niemals Señora de Alvar werden wirst. Du hättest wenig Freude an ihm.«
»Ich weiß«, sagte sie zu meiner Überraschung.
Danach wartete ich, mit bangem Herzen.
Ich fürchtete mich vor Diegos Rache.
Doch zu meiner Verwunderung ließ er mich die folgenden Tage unbehelligt. Ich verließ mein Zimmer nicht, aber ich war ohnehin so schwerfällig geworden, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Stimmten meine Berechnungen, so konnte es jeden Tag so weit sein.
Mehr als eine Woche war vergangen, als er plötzlich wieder in meiner Türe stand. Sein linker Arm steckte in einer Schlinge. Er trug ein Gewand aus schwerer Wolle. Um seine Schultern hing ein Tuchmantel mit eingewebten Goldborten, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. Nobel sah er damit aus, gediegen und so rechtschaffen, dass niemand vermutet hätte, was wirklich in ihm steckte.
Angst schnürte mir die Luft ab. So unauffällig wie möglich versuchte ich das Blatt zu verbergen, auf dem ich gerade geschrieben hatte, aber es war zu spät.
»Was schreibst du da?« Schon stand er neben mir. »Lass doch mal sehen. Und auch noch auf meinem schönsten Papier!«
»Nichts«, brachte ich heraus. »Gar nichts. Es sind nur ...«
Er stieß mich zur Seite.
»Nichts? Gar nichts?«, spottete er. »Dafür bist du aber mächtig aufgeregt. Wer hat dir erlaubt, es zu benutzen?«
»Rühr es nicht an!«, schrie ich. »Es ist mein Eigentum. Sonst ...«
Er packte mein Handgelenk so fest, dass ich aufschrie.
»Das mit dem Dolch hast du nur einmal versucht.« Ich sah die blanke Wut in seinen Augen. »Und das, meine liebe Blanca, war schon einmal zu viel.« Abrupt ließ er mich los.
Ich taumelte, Tränen der Verzweiflung schossen mir in die Augen.
»Ich würde mich gern eingehender mit dir befassen, aber den Sekretär Seiner Majestät kann ich nicht warten lassen. Er scheint geradezu versessen auf neue Papierlieferungen zu sein. Wir wollen ihn doch nicht enttäuschen! Roger und ich werden dafür sorgen, dass er sie so schnell wie möglich erhält.«
Diego wandte sich zur Tür. Doch er drehte sich noch einmal um. Sein Lächeln war grausam.
»Ich werde deine Aufzeichnungen lieber an mich nehmen«, sagte er. »Damit du während meiner Abwesenheit nicht auf dumme Gedanken kommst. Sancha?«
Als habe sie nebenan gewartet, stand sie unvermittelt im Raum.
»Nimm das. Und bewahr es sicher für mich auf. Das sind die Geheimnisse unserer schönen Blanca.« Nie zuvor hatte ich ihn meinen Namen so verächtlich aussprechen hören. »Wir werden uns daran erfreuen, sobald der Handel mit dem Hof perfekt ist. Ich muss doch nicht betonen, dass ich absolute Loyalität von dir erwarte?«
Sancha senkte den Kopf. Er war selbstgefällig genug, um es für Zustimmung zu halten.
»Wann bist du wieder zurück?« Ihre Stimme war ruhig.
»Das wird sich zeigen. Der Festakt findet im Palacio Balboa statt. Es wird gemunkelt, dass der Graf von Orense sich auf Feierlichkeiten versteht.«
Ein letzter, vernichtender Blick auf meinen prallen Bauch.
»Schließt sie endlich weg! Ihr Anblick widert mich an. Tariq soll vor ihrer Türe Wache halten. Und dass er sich nicht von der Stelle rührt, bis ich wieder zurück bin!« Mit zügigen Schritten verließ er den Raum.
Der scharfe
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