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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Kunde der Tempelherren, die als Einzige außer den Juden in León als Geldverleiher tätig sein durften. Die beiden führten ein prächtiges, offenes Haus, das die unterschiedlichsten Menschen anzog.
    Hier waren wir auf einander getroffen.
    Oswald lachte gerade über etwas, was Manuel gesagt hatte, und sah sich halb über die Schulter zu mir um. Es gab ein klirrendes Geräusch, als der Ring von seinem Finger rutschte und auf dem Steinboden aufschlug.
    Er kullerte bis zu meinen Füßen.
    Ich bückte mich, um ihn aufzuheben, plötzlich froh, dass ich die Winterkleidung bereits abgelegt hatte und ein helles, hochgeschnürtes Kleid trug, zu dem ich ausnahmsweise die Perlen meiner Mutter angelegt hatte. Immer wieder gab es Streit mit Diego, der nicht wollte, dass ich mich herausputzte, um mir dann doch immer wieder die herrlichsten Seiden und Sammete nach Hause zu bringen. Erst schalt er mich wegen meiner Eitelkeit und prangerte sie als Teufelswerk an. Dann jedoch war er es, der Gewandnäherinnen ins Haus bestellte und ihre Arbeit überwachte, bis alles zu seiner Zufriedenheit erledigt war.
    Oswald bückte sich ebenfalls. Beinahe wären unsere Köpfe zusammengestoßen. Unsere Hände berührten sich. Immer würde ich mich an diesen Moment erinnern. Als ich seine Augen sah, war ich verloren. Sie hatten eine Farbe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, ein so helles, klares Blau, dass sie beinahe durchsichtig wirkten.
    »Er wollte zu dir«, sagte er. »Ich möchte, dass du ihn ab jetzt trägst.«
    Schweigend steckte ich den goldenen Reif mit dem grünen Stein an den Mittelfinger meiner rechten Hand. Ein großer Smaragd. Ich wurde mir seines enormen Wertes erst bewusst, als ich ihn zu Hause eingehender untersuchte und die Gravur auf der Rückseite entdeckte. Baldur von Lichtenfels, Buchstabe für Buchstabe eingestichelt. Er hatte mir den Ring seines Vaters geschenkt.
    Welch eindeutigeres Zeichen hätte ich mir wünschen können? Ich gehörte zu ihm. Für immer.
    Dabei hätten wir unterschiedlicher nicht sein können - ich ein Mädchen, das León noch nie verlassen hatte, er ein Mönchskrieger aus dem Frankenreich, der weit herumgekommen war. Was uns aber am tiefsten entzweite, hatte ich ihm bislang verschwiegen: dass ich mich wie mein Bruder der Gemeinschaft der Reinen zugehörig fühlte, die mit dem Bannfluch der Kirche belegt war.
    »Du bist so still heute, Blanca.« Seine Stimme hatte ich sofort geliebt. Ein dunkles Timbre, verstärkt durch den fremdartigen Akzent, der unsere harte Sprache weicher und melodischer klingen ließ.
    »Ich kann eben nicht gleichzeitig reden und genießen. Und ich will mich doch satt sehen an deinen Augen und satt trinken an deiner Wärme.«
    Diego hatte mir wieder und wieder erklärt, wie vergänglich die Freuden des Körpers seien, den der Teufel, wie die gesamte sichtbare Welt, erschaffen habe. Das Fleisch allein sei verantwortlich für alles Leid; nur der Geist, die reine Liebe Gottes, ewiglich. Lange Zeit war mir alles sehr klar und logisch erschienen. Aber da hatte ich auch noch nicht gewusst, wie köstlich es sein würde, die verheißungsvolle Hitze seines Körpers zu spüren.
    Er zog mich an sich.
    Seine Arme waren stark, und er roch nach Minze. Er fühlte sich wie ein Ritter an, ganz und gar nicht wie ein Mönch. So hatte ich mir immer die strahlenden Helden aus den Aventüren vorgestellt, die Diego mir inzwischen verboten hatte, weil sie das Irdische verherrlichten. Am liebsten hätte ich für immer in seine Halsgrube geatmet und den zärtlichen Worten gelauscht, die er mir ins Ohr raunte, aber etwas in mir blieb trotz allem auf der Hut.
    Ich hatte vorgegeben, das Haus wie immer zur Abendandacht zu verlassen. Die Reinen verwarfen alle christlichen Sakramente. Gerade deshalb hielt Diego es für eine kluge Taktik, mich keine Messe versäumen zu lassen, um nach außen hin den Anschein zu wahren. Dass ich mir dabei wie eine Heuchlerin vorkam, schien ihn nicht weiter zu stören.
    »Der Tag wird kommen, da die Reinen furchtlos nach außen treten«, pflegte er zu sagen, in jenem Ton, der keine Widerrede duldete. Sobald er ihn anschlug, wusste ich, dass eine Predigt bevorstand. »Bis es allerdings so weit ist, dürfen wir nichts riskieren. Oder sollen wir etwa auch brennen wie unsere Schwestern und Brüder jenseits der Pyrenäen? Wir müssen klüger sein als unsere Häscher. Durch uns muss die reine Lehre weiter verbreitet werden. Deshalb sind wir geradezu verpflichtet, zu

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