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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sehnen.«
    »Ach«, sagte Sancha, »Kinder ...«
    »... sind das Salz der Erde und das Glück jeder Ehe. Es quält mich, dass ich Riwka dieses Glück vorenthalte.«
    Erneut schoss ein scharfer, heißer Schmerz durch meinen Leib. Ich begann halblaut zu stöhnen.
    »Jetzt das Wichtigste«, sagte Simon. »Dieses Pulver musst du in Wasser auflösen. Aber Vorsicht! Nicht mehr als diese winzige Dosis. Sonst vergiftest du sie.«
    »Was ist das?«, murmelte ich. Das Wort »Gift« war in mein Bewusstsein gedrungen.
    »Weißer Germer«, sagte Simon. »Er kann Leben bringen, aber auch den Tod.«
    »Wie die Liebe«, sagte ich leise und drückte meine glühende Wange in das Kissen.
    *
    Sie kamen, wenn es dunkel wurde und die Familien sich um den Tisch versammelt hatten.
    Stets zu dritt.
    Die Fama von den Schwarzen Brüdern hatte sich längst in ganz León verbreitet. Jeder fürchtete sie. Gab es nicht in jedem Haus etwas, was besser nicht nach außen drang? Wer in der Stadt konnte sich schon rühmen, die Gebote Gottes peinlich genau zu befolgen?
    Die Dominikaner hatten diese Stunde mit Bedacht ausgewählt. Auf diese Weise erreichten sie alle. Keiner war in der Lage, zu entkommen. Und sie konnten gleichzeitig begutachten, was aufgetischt war, oftmals der erste Anhaltspunkt für Ketzerei.
    Es war der erste Abend, an dem ich aufstehen konnte.
    Sancha und Carmela hatten mich nach unten geführt und in einen Stuhl mit Armlehnen gesetzt. Die Male waren abgeklungen, ebenso wie die schlimmsten Durchfälle, aber ich fühlte mich schwach wie eine Greisin. Kalter Schweiß bedeckte nach dieser Anstrengung meinen ganzen Körper. Ich ertrug nichts Enges, deshalb hatten sie mich in ein Leintuch gewickelt, das nur ein Band zusammenhielt. Meine Erschöpfung war so groß, dass ich kaum die Augen offen halten konnte. Aber ich bemühte mich, wenigstens einen Hauch von Zuversicht zu verbreiten.
    Immerhin lebte ich. Das hieß, dass ich Oswald wiedersehen konnte.
    Rena leckte immer wieder meine Hand, als würde sie mir zustimmen. Sie legte ihren Kopf auf mein Knie, sah mich an mit ihren großen, seelenvollen Augen und war nicht mehr von der Stelle zu bewegen.
    Lautes Klopfen riss mich aus meinen Träumereien.
    Als die Schwarzen Brüder eintraten, schien es dunkler im Raum zu werden.
    »Ich bin Fra Julio«, sagte der älteste von ihnen, ein mürrischer Mann mit frischer Tonsur. Sein spitzer Schädel schimmerte bläulich. »Und das sind meine Mitbrüder Titus und Francisco. Der Herr sei mit euch!«
    »Amen«, murmelte ich. Die Hündin begann zu knurren. Ich hielt ihr die Schnauze zu und drückte sie sanft an mich.
    »Ihr seid gerade beim Essen?«
    Fra Titus, kleiner und gedrungener, inspizierte, was auf dem Tisch stand. Mein Teller war unberührt, obwohl Sancha sich mit der leichten Gemüsesuppe große Mühe gegeben hatte.
    »Ja, das sind wir«, sagte sie. Ich bewunderte sie für den gelassenen Ton. »Dürfen wir euch vielleicht dazu einladen?« Ein winziges Zittern ließ ihre Stimme beben, aber es war sofort wieder vorbei. »Leider haben wir nur karge Kost anzubieten. Meine liebe Blanca hat die Seuche aus dem Gerberviertel. Heute ist der erste Tag, an dem sie das Bett verlassen konnte. Aber sie ist noch sehr schwach. Wir danken Gott, dass er sie uns nicht genommen hat!«
    »Daran sind schon viele gestorben.« Fra Julio wich einen Schritt zurück. Sein schmaler Mund verzog sich kurz, dann hatte er alles wieder unter Kontrolle. »Der Fluch des Herrn liegt auf dieser Stadt. Solange Menschen vom rechten Glauben abfallen, wird Gott weiterhin zürnen.«
    »Wir machen es kurz«, sagte Fra Francisco, der jüngste der drei, »und nehmen Rücksicht auf die Genesende.«
    In seinen kalten Augen konnte ich weder Rücksicht noch Gnade entdecken.
    »Bitte«, flüsterte ich. »Wollt ihr euch nicht setzen?«
    Wie schwarze Krähen ließen sie sich nieder. Sie trugen Ledergürtel, an denen Rosenkränze baumelten. Ihr weißer Habit blitzte unter den Mänteln hervor. Es war warm, aber sie machten keinerlei Anstalten, abzulegen.
    »Selbst die mächtigsten Berge vermögen offenbar den Pesthauch der Häresie nicht zu bannen. Es ist uns zu Ohren gekommen, dass einige dieser Verwirrten, die vom rechten Glauben abgefallen sind, hier in León heimlich Unterschlupf gefunden haben. Es ist unsere Pflicht, sie aus ihren Löchern zu treiben und wie Ungeziefer auszuräuchern. Und eure Pflicht ist es, uns dabei zu helfen.«
    Ein prüfender Blick zu Sancha und mir.
    »Ihr beiden Frauen

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