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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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unruhigen Schlaf, aus dem ich immer wieder hochschreckte. Mein Bauch war hart wie eine riesige Wassermelone. Es stach in meinen Gedärmen. Ich kam schier um vor Durst und konnte doch nicht einmal Wasser bei mir behalten.
    Sancha saß immer neben meinem Bett, wenn ich die Augen aufschlug, und ihr teigiges Gesicht verschmolz mit meinen wüsten Traumbildern. Irgendwann glaubte ich sie weinen zu hören.
    »Das wird mir Diego nie verzeihen«, sagte sie schluchzend. »Ich habe ihm doch versprochen, dass dir nichts zustößt, solange ich bei dir bin.«
    Dann verwischt sich meine Erinnerung.
    Ich weiß noch, dass sich draußen ein starker Wind erhoben hatte, der an den Fenstern rüttelte. Dass Rena sich auf meinen Füßen breit machte und sich durch nichts vertreiben ließ. Dass würziger Melisseduft wie ein Sommergruß mein Krankenzimmer durchzog. Dass Sancha mich immer wieder wusch und jedes Mal von neuem erschrak, wie mager ich geworden war.
    Tage und Nächte verschmolzen zu einem diffusen Dämmer, aus dem mich manchmal Gesichter, Stimmen und Renas Kläffen rissen, bevor ich erneut in meine Bewusstlosigkeit zurücksank.
    »Blanca? Hörst du mich? Ich bin es, Sancha!«
    Ihre spitze Nase war nah vor mir.
    »Was ist geschehen?«, flüsterte ich. »Wo bin ich?«
    »In deinem Zimmer. Du bist sehr krank. Ich musste immer wieder die Wäsche wechseln, weil du...« Sie blickte zur Sei- te. »Ich gehe jetzt ins Judenviertel. Dort soll es einen Mann geben, der mit seltenen Arzneipflanzen handelt. Vielleicht kann der uns helfen. Sonst ...« Ihre Stimme schwankte.
    »Welcher Mann?«, murmelte ich schläfrig. »Oswald?«
    »Simon. Simon ben Aaron. Er ist ein Fremder, lebt aber schon lange in León. Eigentlich ist er Geldverleiher, aber er scheint sich mit dem Heilen auszukennen. Ich habe mit Pierre gesprochen. Ihn haben seine Mittel schon mehr als einmal gerettet.«
    Irgendwann kam sie zurück. Ich hätte nicht sagen können, ob sie nur Stunden oder Tage fort war. Und sie war nicht allein. Neben ihr stand ein kräftiger Mann mit hellen Augen und einem roten Bart, der ihm bis auf die Brust reichte.
    »Das ist die Kranke?« Der fremde Akzent war sehr stark.
    »Blanca. Meine geliebte Schwester. Sie darf nicht sterben. Bitte steh uns bei!«
    Er schlug die Decke zurück. Wieder einmal war ich zu kraftlos gewesen, um den Leibstuhl rechtzeitig aufzusuchen. Aber ich fühlte mich sogar zu schwach, um mich deswegen zu schämen. Mit seinen großen Händen berührte er erstaunlich zart meinen geschwollenen Leib. Danach rieb er eine Stuhlprobe auf ein Hölzchen und hielt es sich an die Nase. Dieses Mal trug mich keine gnädige Dämmerwelle davon. Ich lag in meinem Unrat und zitterte.
    »Es ist die Seuche, die im Gerberviertel wütet«, sagte er. »In jedem Haus liegt mindestens ein Kranker. Ich denke, sie rührt von der Hitze her, die alles rasch verderben lässt. Je wärmer es wird, desto schneller geht es. Siehst du den Ausschlag?«
    Blassrosa Male bedeckten meinen Leib. Eigentlich sahen sie nicht besonders gefährlich aus, in meinem Fieberwahn fand ich sie sogar anmutig.
    »Röslein«, flüsterte ich. »Die roten Rosen der Liebe.«
    »Der Höhepunkt scheint mir noch nicht erreicht«, sagte er. »Soviel ich weiß, setzen die schlimmsten Durchfälle erst ein, sobald die Male abgeblüht sind. Sie hat also noch einiges vor sich.«
    »Aber sie ist doch schon so mager«, sagte Sancha entsetzt. »Sieh doch nur ihre Ärmchen! Dünn wie Vogelknochen! Wie soll sie das überstehen? Sie hat seit Tagen nichts gegessen.«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig. Der Appetit kommt zurück, wenn die innere Hitze vorbei ist. Du musst dafür sorgen, dass sie viel trinkt. Und wenn sie es erbricht, ihr erneut Flüssigkeit einflößen, auch wenn sie sich dagegen wehrt. Das Fieber bekämpfst du mit kalten Wickeln. Um die Beine, die Arme, den Rumpf. So oft wie möglich! Hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte Sancha. »Natürlich. Aber wie soll sie jemals wieder zu Kräften kommen?«
    »Du bereitest ihr einen Tee aus Schafgarbenkraut, den sie dreimal täglich trinken soll. Damit kannst du sofort beginnen. Außerdem bekommst du von mir diesen Beutel mit Eisenkraut, aus dem du ebenfalls Tee machst, aber erst, wenn die Male verschwunden sind.«
    »Du scheinst alles zu kennen«, sagte Sancha beeindruckt. »Jedes Pulver, jedes Kraut.«
    »Meine Kenntnisse sind unbedeutend. Wüsste ich wirklich etwas, so müsste sich meine schöne Riwka nicht Tag und Nacht vergeblich nach einem Kind

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