Strasse der Sterne
Dominikanerklosters. Mit diesen meinen Händen!« Ich riss ihr den Ring vom Finger und ließ ihn in meinem Ausschnitt verschwinden. »Schwöre, dass du nichts verraten wirst. Niemals!«
»Aber die Reinen dürfen nicht ...«
»Schwöre!«
Tränen sammelten sich in ihren dunkelblauen Augen, die von langen Wimpern beschattet waren, wie mir zum ersten Mal auffiel. Angelita hätte ein hübsches Mädchen sein können, wenn sie keine Natter gewesen wäre.
»Ich schwöre«, flüsterte sie.
»Lauter!« Ich wollte sie schütteln, bis sie für immer still sein würde. »Ich kann dich nicht hören.«
»Ich schwöre.«
*
Die Zeit arbeitete gegen mich. Der Tag der Taufe rückte immer näher.
Tariq, der meine innere Unruhe zu spüren schien, betrachtete mich besorgt, aber ich war klug genug, ihm nichts davon zu verraten. Es genügte, dass ich ihn bereits in die andere Geschichte eingeweiht hatte - ein Gebot der blanken Not, weil ich keinen anderen Ausweg mehr sah. Er bekam Oswald nicht zu Gesicht, aber er fungierte als Bote. Tariq brachte meine Briefe an die Pforte der Komturei und holte dort die meines Liebsten ab.
Und er wusste von meiner Schwangerschaft.
Er hatte mich in der Speisekammer ertappt, als ich ein Stück von der frischen Leber abgebissen hatte, die eigentlich für Rena gedacht war, und die richtigen Rückschlüsse gezogen.
»Meine Mutter hat auch immer Lust auf rohes Fleisch gehabt«, sagte er. »Als sie meine kleine Schwester erwartet hat. Sie hatte sich so darauf gefreut. Aber das Kind hat nach der Geburt nicht geatmet.«
Plötzliche Angst ließ meine Bauchdecke hart werden.
»Weshalb nicht?«, fragte ich.
»Die Nabelschnur hatte es erdrosselt. Das war der Anfang vom Ende. Mein Onkel hat behauptet, sie hätte das Kind mit einem bösen Zauber verflucht. Und wenig später kam der Verdacht auf, meine Mutter sei eine Ehebrecherin.«
Ich kannte inzwischen den schrecklichen Ausgang.
Tariqs Mutter war von den männlichen Mitgliedern der Familie in einen Sack gesteckt und im durch Leon fließenden Rio Bernesga ertränkt worden. Zu Unrecht, wie er beteuerte. Sie hatte niemals einen anderen Mann als seinen Vater angesehen. Auch nicht den Onkel, der nach dem Tod des Bruders nur zu gern dessen Witwe übernommen hätte. Ihr Tod war nichts als ein feiger Rachezug gewesen. Am liebsten hätten sie den Sohn und Zeugen gleich mit ausgelöscht.
»Diego wird vermutlich auch mit mir so verfahren wollen, wenn er von meinem Zustand erfährt«, sagte ich düster. »Und mit meinem Kind.«
»Ich werde schweigen!«
Ich musste ihn nur ansehen, diesen stolzen braunen Jungen, um zu wissen, dass man ihm keinen Schwur abnötigen musste. Und dennoch spürte ich, dass ihn noch etwas anderes beschäftigte.
Tariq zögerte, als ich ihn darauf ansprach, aber schließlich brach es förmlich aus ihm heraus.
»Sind alle Christen so?«, fragte er.
»Nein«, sagte ich. »Zum Glück nicht. Was in diesem Haus geschieht, ist eine Ausnahme. Mach deine Augen zu und verschließ deine Ohren. Es ist besser, du weißt so wenig wie möglich darüber.«
Rogers Befragungen hatte ich wie durch ein Wunder überstanden. Er schien zufrieden mit meinen Antworten, die ich reglos herunterschnurrte.
»Du brennst nicht wie dein Bruder«, sagte er schließlich. »Und das ist vielleicht nicht einmal schlecht. Wir brauchen solche, die wie Fackeln lodern, und andere, die sich wie milder Tau über die durstigen Wiesen legen. Von mir aus bist du reif.«
Ich konnte seine Reden inzwischen kaum noch ertragen.
»Ich hätte dennoch gern mehr Zeit«, sagte ich.
»Weshalb?«
»Es ist eine so wichtige Entscheidung. Ich möchte keinen Fehler machen.«
»Du hast deine Entscheidung längst getroffen, Blanca.« Wieder roch ich seinen scharfen Schweiß.
Roger hatte Recht. Benommen gab ich meinen inneren Widerstand auf und ließ geschehen, was ich nicht mehr aufhalten konnte.
Dazu gehörte auch das neue Kleid aus gelber Seide, das anzuziehen Diego mich nötigte.
»Wie eine Braut«, sagte er, als er es persönlich zu mir brachte. »Die Braut des Herrn.«
Es war so eng, dass ich kaum atmen konnte, ohne die Nähte zu sprengen. Besonders mein Busen machte mir Sorgen. Meine Brüste waren zusammengedrückt und der Stoff scheuerte schmerzhaft auf meiner empfindlichen Haut.
Wir hatten aus nahe liegenden Gründen auf eine Versammlung der Gemeinde verzichtet. Aber Carmela wollte natürlich dabei sein, ebenso wie Angelita, und auch Sancha ließ es sich nicht nehmen. Als
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