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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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mehr vor der Nacht gefürchtet und wurden fast verrückt dabei. Tagsüber haben wir ein paar Stunden geschlafen, und ich hab mich weiterhin um den Garten gekümmert und bin auf die Jagd gegangen, aber ich wollte mich nicht mehr allzu weit vom Haus oder von Sissy entfernen.
    Das Beste wär natürlich gewesen, wir hätten unsere sieben Sachen gepackt und wären von dort abgehauen, und wir haben auch drüber geredet, aber das Haus und das Land waren alles, was wir besaßen, auch wenn’s nur nach dem Gewohnheitsrecht uns gehörte. Außerdem dachten wir, dass wir uns die ganze Sache nur einbilden, obwohl es bald mehr war als nur so ein ungutes Gefühl oder Geräusche, nämlich auch ein Geruch. Es roch gleichzeitig nach altem Fleisch und abgestandenem Wasser, und nachts waberte der Geruch ums Haus rum, durch die Fenster, die ich mittlerweile vernagelt hatte, und unter der Eingangstür durch, und er wurde immer stärker und durchdringender.
    Eines Morgens waren alle Blumen, die Sissy gepflanzt hatte, rausgerissen worden, und ein toter Waschbär lag auf der Türschwelle. Ihm war der Kopf abgerissen worden.«
    »Abgerissen?«
    »So sah es aus, denn am Hals hingen noch Fleischfetzen dran. Der Hals war verdreht und der Kopf einfach abgerissen, wie bei ’nem Huhn, dem man den Hals umdreht. Und so wie’s aussah, hatte etwas oder jemand an dem Hals gesaugt. Aus Neugier hab ich den Kadaver aufgeschnitten, und da war kaum noch ein Tropfen Blut drin. Ist das nicht merkwürdig?«
    »Das ist in der Tat merkwürdig.«
    »Als Nächstes ist unser Maultier spurlos verschwunden. Wir haben hin und her überlegt, dass wir schleunigst abhauen müssten, aber wir wussten nicht wohin, und wir hatten auch kein Geld. Eines Morgens fand ich dann auf einem der Steine, die ich als Treppenstufe vors Haus gesetzt hatte, einen schlammigen Fußabdruck. Der Abdruck war ziemlich groß und hatte Zehen und eine Ferse, war aber nicht von irgendeinem Tier, das ich kenne. Die Schlammspur führte ins Gestrüpp. Ich hab meine Pistole geholt und die Gegend abgesucht, aber nix gefunden – keine weiteren Abdrücke, gar nix.
    In der folgenden Nacht hörte ich, wie eins der Bretter knackte, die ich vors Schlafzimmerfenster genagelt hatte. Mit der Waffe in der Hand hab ich nachgesehen. Eins der Bretter war abgerissen, und ein Gesicht presste sich gegen die Fensterscheibe. Es war zwar dunkel, aber im Mondlicht konnte ich erkennen, dass es kein menschliches Gesicht war. Die Augen und der Mund waren ganz anders. So, als wär’s aus einer menschlichen Gussform entstanden, aber die Form war verbogen gewesen oder beschädigt, und herausgekommen war dieses ... dieses Ding. Sein Gesicht war so bleich wie der Arsch einer Hure und irgendwie ganz verdreht, und die Augen waren blutrot und funkelten durchs Fenster, als hätt’s direkt vor mir gestanden. Ich hab auf das Ding geschossen und dabei eine von den teuren Glasscheiben kaputt gemacht, aber im selben Augenblick war es auch schon verschwunden.
    Ich wollte der Sache ein für alle Mal ein Ende machen, also hab ich zu Sissy gesagt, sie soll im Haus bleiben, hab ihr die Pistole gegeben, mir die Feuerholzaxt geschnappt und bin rausgegangen, und Sissy hat die Tür hinter mir verriegelt. Ich marschierte ums Haus rum und glaubte, ich hätte kurz was gesehen, einen nackten Körper und eigenartige Füße. Die Gestalt verschwand grad um die andere Ecke des Hauses, und ich hinterher. Ich bin bestimmt dreimal um das verdammte Haus rumgerannt. Es war fast so, als würd ein Kind mit mir spielen wollen. Dann hab ich was Weißes gesehn, von dem ich erst gar nicht wusste, was es war. Es sah nämlich aus wie ein Laken, das durchs Schlafzimmerfenster gezogen wurde – das Fenster, das ich kaputtgeschossen hatte.«
    »Sie meinen, es sah wie ein Geist aus?«
    Norville nickte. »Ich rannte zur Tür, die war aber verschlossen, so wie ich es Sissy befohlen hatte. Also rannte ich zurück zum Fenster und hackte mit der Axt die restlichen Bretter, die Scheibe und den Rahmen weg. Dann bin ich reingeklettert und hab mir dabei an den ganzen Glasscherben die Haut aufgeschnitten.
    Sissy war nicht im Zimmer, nur die Pistole lag auf dem Boden. Ich ließ die Axt fallen und nahm die Pistole. Genau in dem Moment hörte ich Sissy furchtbar schreien und rannte in den vorderen Raum. Da hab ich es gesehen. Es kaute ... Sie müssen mir glauben, Prediger. Es hatte sein Maul weit aufgerissen, wie eine Schlange, und es hatte mehr Zähne als ein Dutzend Menschen

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