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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Einige Zeit später ist einer der Männer aus der Ortschaft da hingezogen. Er hat Seile geflochten und Tierfelle verkauft und so. Dann war der auch plötzlich weg. Niemand wusste, wohin. Danach kam ein Mann hierher, ein Priester wie Sie, und zog in den Wald. Er meinte, das Haus wär böse, und wohnte eine ganze Zeit lang da, aber schließlich hatte er genug und kam in den Ort und meinte, da draußen sollte man am besten alles niederbrennen und die Erde umpflügen und Salz ausstreuen, damit dort nie mehr was wächst und nie mehr jemand dort wohnen will.«
    »Er hat also überlebt?«
    »Nur so lange, bis er sich in einer Scheune aufgehängt hat. Er hat einen Zettel hinterlassen, auf dem standen fünf Wörter: ›Ich habe zu viel gesehen.‹«
    »Kurz und bündig«, sagte der Reverend.
    »Danach bin ich dann mit Sissy dort eingezogen.«
    »Nach alldem sind Sie dort eingezogen, und auch noch mit einer Frau? Könnte es sein, dass Sie wirklich nicht besonders schlau sind?«
    »Damals hab ich diese ganzen Geschichten noch nicht geglaubt.«
    »Aber heute schon?«
    »Ja, heute schon. Und ich will dorthin zurück, ich hab da noch was zu erledigen, wegen Sissy. Das wollte ich nämlich den Leuten in Wood Tick klarmachen, dass ihr was zugestoßen ist, aber als ich ihnen erzählt hab, was, wollte mir niemand zuhören. Sie meinten, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank, und haben mich in den verdammten Holzkäfig eingesperrt. Ich würde immer noch da drin sitzen, wenn Sie nicht gewesen wären. Also, Sie haben mir ’nen großen Gefallen getan, und dafür bin ich Ihnen dankbar, und wenn’s geht, bringen Sie mich noch in die Nähe der Hütte, Sie müssen gar nicht bis dahin mitkommen, aber ich hab da noch was zu erledigen.«
    »Wie es scheint, ist das, was Sie dort erledigen wollen, auch genau mein Fachgebiet.«
    »Geister und so was?«
    »So kann man es wohl ausdrücken. Aber zuerst erzählen Sie mir bitte noch, was mit Sissy passiert ist.«
    Norville nickte, trank noch einen Schluck Wasser aus der Feldflasche, verschloss sie dann sorgfältig und lehnte sich an den Baum.
    »Zuerst ging es Sissy und mir ganz gut, und wir lebten uns ein. Ich machte mich daran, den alten Brunnen freizulegen. Dazu musste ich runtersteigen und die Steine mit dem Eimer hochholen. Einige waren so schwer, dass ich ein Seil drumgewickelt und sie mit dem Maultier raufgezogen hab. Ich kam ganz schön tief runter und fand immer noch kein Wasser. Irgendwann gab’s da unten nur noch Schlamm, und zwar tief, ich hab mit ’nem Stock drin rumgestochert. Ich konnte nix weiter tun, also hab ich’s aufgegeben und das Wasser weiter von der Quelle geholt. Ich hab dann nach und nach ein paar morsche Stellen im Haus repariert und neue Schindeln aufs Dach genagelt, und Sissy hat Blumen gepflanzt, und das sah alles wirklich nett aus. Dann, von einem Tag auf den andern, konnte Sissy nachts nicht mehr schlafen. Sie war sich sicher, dass draußen vor dem Haus irgendwas war und dass sie ein Gesicht am Fenster gesehen hat, also ging ich mit der Waffe in der Hand nachsehen, doch da draußen war nix weiter als der Garten und der Haufen Steine, die ich aus dem Brunnen geholt hatte. Aber als ich in der nächsten Nacht rausging, hatte ich das Gefühl, dass mich was beobachtet, vielleicht aus dem Wald, und ich kriegte ’ne Gänsehaut. So unbehaglich hab ich mich noch nie gefühlt. Ich ging zurück zum Haus und hatte plötzlich das Gefühl, dass ich verfolgt werde. Ich bin stehen geblieben und wollte mich umdrehen, konnt’s aber nicht. Hab’s einfach nicht fertiggebracht. Hatte das Gefühl, dass ich dann was sehen würde, was ich lieber nicht sehen wollte. Ist mir peinlich, das zuzugeben, aber ich hab die Beine in die Hand genommen und bin ins Haus gerannt, hab die Tür zugeworfen und sie verriegelt – und draußen vor der Tür hab ich was schnaufen gehört.
    Seit der Nacht haben wir uns bei Anbruch der Dunkelheit nur noch im Haus aufgehalten. Am helllichten Tag schien unser Verhalten töricht, aber nachts hatten wir beide das Gefühl, dass andauernd irgendwas ums Haus rumschleicht. Ich hab mir sogar mal eingebildet, dass sich was auf dem Dach bewegt, am Schornstein. Ich hab ganz schnell ein Feuer im Kamin gemacht und ließ es die ganze Nacht brennen, jede Nacht, auch wenn es draußen heiß war, und irgendwann haben wir den Kamin mit Steinen verrammelt und nur noch draußen vorm Haus gekocht, solange die Sonne schien, und abends gab’s kalte Reste. Wir haben uns immer

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