Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
können Sie jemand anderem kommen, Mr. Robicheaux.«
»Ihre Probleme haben begonnen, lange bevor wir uns über den Weg gelaufen sind. Schieben Sie uns nicht die Schuld in die Schuhe.«
»Was wissen Sie denn von meinen Problemen?«
»Ich habe mit dem Gefängnispsychologen gesprochen.«
»Allmählich mache ich mir ein ganz neues Bild von Ihnen, Mr. Robicheaux. Es gefällt mir gar nicht.«
Ich ging nicht darauf ein. Mein Gesicht fühlte sich schlaff an, so als ob tausend Nadeln in der Haut steckten. »Sie hätten die .25er loswerden sollen, die Sie bei Zipper Clum benutzt haben«, sagte ich dann, um das Thema zu wechseln. »Das NOPD hat festgestellt, dass auch Ritter auf Ihr Konto geht.«
»Ritter hat mir die Mörder Ihrer Mutter verraten, Mr. Robicheaux. Ich wollte Ihnen die Namen nennen. Sie vielleicht sogar für Sie umlegen. Aber Sie behandeln mich wie ein Stück Scheiße. Deshalb können Sie mich mal«, sagte er und legte auf.
Um neun Uhr morgens saß ich im Büro des Sheriffs und sah zu, wie er mit einem Federmesser seine Pfeife auskratzte.
»Sie haben also die andere Seite von Johnny Remeta erlebt?«, sagte er und kippte die schwarzen Ascherückstände von seiner Messerklinge in den Papierkorb.
»Er hat Ritter erst ausgequetscht und ihm dann das Licht ausgeblasen«, sagte ich.
»Dieser Kerl lässt uns dastehen wie ein Haufen tollpatschiger Dorftrottel. Er kommt und geht, wie es ihm passt. Er fährt mit Ihrer Tochter in der Gegend rum. Er ermordet einen Polizisten, ruft Sie mitten in der Nacht an und erzählt Ihnen alles. Verzeihen Sie mir das, was ich jetzt sagen werde.«
»Sir?«
»Wollen Sie etwa, dass dieser Kerl da draußen sein Unwesen treibt? Es kommt mir fast so vor, als ob Sie, Purcel und er gemeinsame Feinde haben.«
»Diese Unterstellung muss ich mir wohl nicht bieten lassen, Sheriff.«
»Dann lassen Sie’s mich mal folgendermaßen ausdrücken. Wenn ich das nächste Mal den Namen von dem Kerl höre, dann bitte entweder in Zusammenhang mit seiner Festnahme oder seinem Tod. Ich möchte nicht, dass mir einer meiner Detectives von seinen Telefongesprächen mit einem Psychopathen berichtet oder mir gar erzählt, dass sich jemand aus seiner Familie mit ihm eingelassen hat. Verstehen wir uns so weit?«
»Sie haben Pfeifenasche auf dem Schuh«, sagte ich und ging hinaus.
Zehn Minuten später erhielt ich einen Anruf von einer Frau, die sich nicht zu erkennen gab, sondern einfach drauflosredete, als wüsste ich, wer sie war. Sie sprach mit breitem Cajun-Akzent und klang wütend und bestürzt, so als müsste sie ihren Unmut an jemandem auslassen.
»Ich dachte, ich sag Ihnen Bescheid, was Sie angerichtet ham. Nich dass es jemand was ausmacht, der meint, er hat das Recht, einen kranken Mann mit seinem Gerede irr zu machen«, sagte sie.
»Wer spricht da?«, fragte ich.
Aber sie sprach unbeirrt weiter. »Sie sind viel schlauer als er. Sie wissen genau, wie man jemand auf dumme Gedanken bringt, ihm Schuldgefühle einredet, dafür sorgt, dass er nich mehr weiß, wo ihm der Kopf steht, und er nur noch einen Ausweg sieht. Es reicht also nich, dass ihn die Lepra zerfrisst und seine Hände verkrüppelt wie Nutriapfoten. Jemand wie Sie muss auch noch daherkommen und ihm zusetzen und ihn so lang bedrängen, bis er sich so elend fühlt, dass er das macht, was Sie wollen.«
Dann erinnerte ich mich an die blinde Frau mit der Entenfigur, die hinter der Hütte von Bobby Cale, dem ehemaligen Constable, unten bei Point au Fer Wäsche aufgehängt hatte.
»Ist Bobby irgendetwas zugestoßen?«, sagte ich.
Sie konnte nicht antworten. Sie begann ins Telefon zu weinen.
»Ma’am, sagen Sie mir, was los ist«, sagte ich.
»Ich hab’s im Wind gerochen. Draußen am Persimonenbaum. Er war drei Tage fort, dann hab ich ihn gefunden und ihn angefasst, und er is in meinen Händen hin und her geschaukelt, leicht wie ein Vogelei. Das ham Sie angerichtet, Sir. Und reden Sie sich ja nich ein, dass Sie unschuldig sind. Weil Sie das nämlich nich sind.«
Die eine Seite meines Kopfes fühlte sich wie betäubt an, als ich auflegte, so als hätte man mir gerade ein finsteres Geheimnis über mich ins Ohr geflüstert. Aber ich war mir nicht sicher, was mir mehr zu schaffen machte – das Reuegefühl, weil ich möglicherweise dazu beigetragen hatte, dass Bobby Cale Selbstmord beging, oder das Bedauern darüber, dass ich soeben die einzige handfeste Spur zu den Mördern meiner Mutter verloren hatte.
25
D as Shrimp-Festival fand
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