Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ob auch ich zu einer Grausamkeit fähig war, die ich mir bislang nicht hatte eingestehen wollen.
Als ich zum Pavillon zurückkehrte, wurde mir klar, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Belmont Pugh hatte sich Connie Deshotel und Bootsie vorgenommen und dachte nicht daran, sie ohne weiteres wieder ziehen zu lassen. Belmont hatte zu einer seiner großen Ansprachen ausgeholt, fuchtelte und fuhrwerkte mit den Händen in der Luft herum wie weiland Huey Long, schleuderte Krabbenschwänze in die Dunkelheit und strahlte, feucht und verschwitzt, wie er war, eine geradezu rohe Kraft und Sinnlichkeit aus. Er drückte Connies Arm, während seine Gattin, eine schwarzhaarige Frau mit dunklen, tief liegenden Augen und einem Hals wie ein Schwein, daneben stand und streng dreinblickte, als müsste sie Belmonts Benehmen missbilligen, um Abstand zu all den Machenschaften und Mauscheleien zu gewinnen, durch die sie und ihr Mann in den Amtssitz des Gouverneurs gelandet waren.
Sookie Motrie stand unmittelbar neben Belmont. Er trug zweifarbige Stiefel und war ansonsten gekleidet wie ein zwielichtiger Tippgeber auf einer Rennbahn irgendwo im Westen; der grau melierte Schnurrbart war sauber gestutzt, die eingedrückte Hakennase bewegte sich fast wie eine Wetterfahne im Wind. Jahrelang war er ein kleiner Advokat in Baton Rouge gewesen, der sich mit Unfallschäden und Schmerzensgeldforderungen durchschlug, hatte einen im Eigenverlag veröffentlichten Kriminalroman geschrieben, den er sämtlichen Vertretern der Filmindustrie, die sich in die Gegend verirrten, wie Sauerbier anbot. Aber als Lobbyist, der die Interessen der Spielcasinobetreiber in Las Vegas und Chicago vertrat, war er ebenso tüchtig wie erfolgreich. Obwohl er zwei Mal wegen angeblicher Verbindungen zum Organisierten Verbrechen angeklagt worden war, standen ihm nach wie vor sämtliche Türen offen, ob bei den Abgeordneten oder den zuständigen Behörden.
Er lachte immer mit, wenn Belmont losbrüllte, horchte dessen derben Witzen aufmerksam zu, achtete aber auf jeden, der vorüberging, und schüttelte ihm die Hand, und sei es auch noch so kurz, wenn er ihm wichtig vorkam.
Jim und Cora Gable standen an einer aus Brettern zusammengezimmerten Bar, an der es Mint-Juleps für drei Dollar pro Plastikbecher gab. Er trug ein hellrosa Hemd, einen dunklen Schlips mit Rosenmuster und ein weißes Sportsakko, und sein Gesicht glänzte, als genösse er den Abend in vollen Zügen. Nein, so einfach war das nicht. Das musste ich Gable lassen. Er strahlte eine Zuversicht und Selbstzufriedenheit aus, wie es jemand fertig bringt, der genau weiß, dass wahre Macht nur derjenige besitzt, der sie niemandem mehr beweisen muss. Mit seiner ganzen Haltung, jeder noch so kleinen Geste versuchte er kundzutun, dass er felsenfest von sich überzeugt war und sich eisern an seine eigenen Regeln hielt. Er ging auf den Kreis zu, der sich um Belmont gebildet hatte, und zog einen Minzezweig aus seinem Glas, schüttelte ihn ab und beugte sich leicht vor, damit er seine Schuhe nicht bespritzte.
Cora Gable hob die Hand, spitzte betroffen den rot geschminkten Mund, als wäre sie unverhofft an einer Bushaltestelle stehen gelassen worden. Aber wie auf Stichwort, so als wüsste er genau, welche Ängste sie tagein, tagaus umtrieben, drehte Gable sich um und sagte: »Ich bin gleich wieder da, Liebes. Bestell dir noch einen Julep.«
Belmont fragte Connie, ob sie Jim Gable kenne.
»Ich bin mir nicht sicher. Möglicherweise sind wir uns vor etlichen Jahren mal begegnet«, erwiderte sie.
»Wie geht’s Ihnen, Miss Connie«, sagte Gable. »Schön, Sie mal zu sehen.«
Sie schauten sich nicht noch mal an, wichen sogar regelrecht voreinander zurück, so als wollten sie nichts miteinander zu tun haben.
Ich starrte die beiden an, als wäre dieser Augenblick auf einem Foto festgehalten, dessen eigentliche Bedeutung von der Kamera nicht erfasst wurde. Sowohl Gable als auch Connie hatten sich Ende der sechziger Jahre beim NOPD hochgedient. Wie kam es, dass sie sich nicht aneinander erinnern konnten?
Dann zündete sich Connie Deshotel eine Zigarette an, als wäre sie mit Gedanken beschäftigt, die sie nicht recht einordnen konnte. Doch sie zog nicht das Feuerzeug hervor, das sie an ihrem Swimming-Pool benutzt hatte, das goldene mit den eingelegten Lederstreifen, das genauso aussah wie das von Jim Gable.
Er strahlte über das ganze Gesicht.
»Da ist ja der gute Dave«, sagte er.
»Ich habe mich grade mit Ihrem Chauffeur über
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