Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Toast schmieren und anschließend die Krematorien in einem KZ anschüren konnte.
Ich gab es auf. Ich konnte ihr Gesicht nicht mehr anschauen. In Connies Augen musste sich einst meine Mutter gespiegelt haben, als sie da draußen auf einem hart gefrorenen Feldweg starb, inmitten der eisigen Zuckerrohrfelder, die trocken im Wind raschelten – vermutlich das letzte Geräusch, das sie in ihrem Leben gehört hatte. Doch Connie war es völlig gleichgültig, was sie an diesem längst vergangenen Wintertag getan oder mit angesehen hatte, und als ich ihren Blick sah, bar jeder Moral und Menschlichkeit, hätte ich sie am liebsten getötet.
Ich kehrte ihr den Rücken zu, beugte mich über das Verandageländer und schaute hinaus in den Regen, der auf den See fiel. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sie eine Zigarette aus der Schachtel schüttelte und sich in den Mund steckte. Dann griff sie zu ihrem Feuerzeug, dem goldenen, das sie vermutlich von Jim Gable geschenkt bekommen hatte, und ließ es ein paar Mal vergebens klicken. Sie legte es auf den Tisch zurück, beugte sich auf dem knarrenden Redwood-Stuhl nach vorn und griff nach der Streichholzschachtel, auf der die Glock lag, mit der sie Johnny Remeta ermordet hatte.
Im selben Moment hörte ich Helen sagen: »Hey, Dave, die Sheriff-Dienststelle von St. Martin will dich dringend sprechen. Clete dreht ma –«
Weiter kam sie nicht. Sie stand gerade im Türrahmen, als sie sah, wie Connie Deshotel zu der Glock griff.
Connies kalte Filterzigarette hing immer noch in ihrem Mund, als Helen ihr den Großteil des Kopfes wegschoss.
Epilog
J ohnny Remeta wurde für Connie Deshotels Tod verantwortlich gemacht. Das ließ sich mühelos arrangieren. Genau genommen hatte es uns Johnny leicht gemacht. Seine abgesägte Remington war bereits mit Rehposten geladen. Ich feuerte einen Schuss in die Bäume ab, schob ihm die Schrotflinte unter die Brust und ließ den Coroner, die Staatspolizei und die Deputy-Sheriffs aus dem Bezirk St. Martin ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Es war unehrlich, gewiss, aber ich glaube nicht, dass es unehrenhaft war. Jedenfalls rettete es Helen vor dem Rausschmiss. Außerdem nahmen uns die Medien, ob Zeitungen oder Fernsehen, die Geschichte, die wir für sie erfunden hatten, liebend gern ab, und wer wollte schon so gemein sein und sie all ihrer Illusionen und Fantasien berauben? Als tote Heldin, die sich aus einfachen Verhältnissen hochgedient hatte, war Connie Deshotel viel liebenswerter als die selbstsüchtige Politikerin, die sie zu Lebzeiten gewesen war.
Über meinen eigenen Beitrag zu ihrem Tod mochte ich lieber nicht nachdenken. Ich fragte mich, warum ich Connies Handschellen nicht aufgeschlossen und sie hatte laufen lassen, fort vom Tatort, damit es zu keinem weiteren Zusammenstoß mit Helen kam. Es gab keinerlei Beweise, die ihre Behauptung widerlegt hätten, dass Remeta über sie herfallen wollte. Genau genommen glaubte ich damals sogar, und ich glaube es noch heute, dass sie die Wahrheit sagte.
War es normal, dass ich der Mörderin meiner Mutter den Rücken zukehrte, obwohl ich wusste, dass eine Pistole in Griffweite lag? Oder war ich bewusst unvorsichtig gewesen? Allzu viel habe ich mit zunehmendem Alter nicht dazu gelernt, aber zumindest eine gewisse Bescheidenheit, jedenfalls so viel, dass ich heute nicht mehr ständig das Gefühl habe, ich müsste mit mir hadern, fortwährend Rechenschaft ablegen, sondern mich mit manch schrecklicher Last an meine Höhere Macht wenden kann.
Den Anruf von der Sheriff-Dienststelle des Bezirks St. Martin hatte ich völlig vergessen. Ich ließ mir Helens Handy geben und erwischte einen Deputy von der Nachtschicht im Gefängnis.
»Jemand hat mich vorhin angerufen. Es geht um Clete Purcel«, sagte ich.
»Der Mistkerl macht uns den ganzen Zellenblock närrisch. Entweder Sie beruhigen ihn, oder er stößt sich demnächst an ’nem Baseballschläger.«
»Geben Sie ihn mir«, sagte ich.
»Spinnen Sie?«
»Wollt ihr ihn lieber sechs Monate bei euch behalten?«, fragte ich.
Der Deputy schwieg einen Moment lang. »Bleiben Sie dran«, erwiderte er dann.
Kurz darauf hörte ich eine Zellentür aufgehen und das Klirren von Bauch- oder Fußketten.
»Hallo?«, meldete sich Clete mit heiserer Stimme.
»Willst du mir jetzt vielleicht sagen, was los ist?«, sagte ich.
»Ich bin doch mit Passion letztes Wochenende nach Angola gefahren. Zu dem Abendessen mit Letty und ihren Verwandten. Sie hatte einen Regenmantel an
Weitere Kostenlose Bücher