Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
anhängig ist. Wie es von Rechts wegen vorgeschrieben ist«, sagte er.
»Was meinen Sie mit ›unbegrenzt‹, Gouverneur?«
»Hab ich vielleicht Haferschleim im Mund? Ich mein damit genau das, was ich gesagt habe.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie auch nach ihrer Berufung beim Obersten Gerichtshof an dem Aufschub fest halten wollen, oder gedenken Sie dann, der Hinrichtung zuzustimmen? Das ist keine komplizierte Frage, Sir«, sagte ein anderer Reporter, ein Mann, der eine Fliege trug, und lächelte dabei, als wollte er die unterschwellige Beleidigung überspielen.
Daraufhin, und nur für einen kurzen Moment, raffte sich Belmont zu einer Offenheit und Ehrlichkeit auf, die ich ihm nicht mehr zugetraut hatte.
»Über eins müsst ihr euch im Klaren sein. Hier geht’s um ein Menschenleben. Nicht bloß um eine Story für eure Zeitungen oder fürs Fernsehen. Ihr könnt meine Äußerungen dazu von mir aus auffassen, wie ihr wollt, aber Herrgott noch mal, ich werde das machen, was mein Gewissen mir sagt. Wenn das jemand nicht recht ist, kann er mir meinetwegen kreuzweise den Buckel runterrutschen.«
Ein Berater trat zu Belmont und sagte ihm etwas ins Ohr. Belmont setzte eine undurchdringliche Miene auf wie jemand, der schuldbewusst ins grelle Licht starrt. Im nächsten Moment wurde jedem Zuschauer klar, dass er etwas Außergewöhnliches miterlebt hatte, das ebenso schnell verging, wie es gekommen war.
Belmont zwinkerte und verzog unsicher die Mundwinkel, ehe er wieder das Wort ergriff.
»Ich bin in dieses Amt gewählt worden. Und ich werde den Pflichten nachkommen, mit denen mich die Bürger von Louisiana betraut haben. Das heißt, dass ich mich, wenn das Berufungsverfahren vorüber ist, an Recht und Gesetz halten werde. Ich persönlich habe darüber nicht zu befinden … Das war’s. An dem Tisch dort hinten wird für Speis und Trank gesorgt.« Er schluckte und schaute ins Leere, blass und mit ausdrucksloser Miene, als ob die Worte, die er gerade ausgesprochen hatte, von jemand anderem gesagt worden wären.
Am nächsten Morgen las ich den Bericht des Coroners über den Mordfall Vachel Carmouche. Er war von einem pensionierten Pathologen namens Ezra Cole unterzeichnet, einem verhutzelten Mann, der zeitweise als Laienprediger in einer fundamentalistischen Gemeinde tätig war, die sich hauptsächlich aus Zugereisten zusammensetzte, Ölarbeitern aus Texas und Leuten, die es aus dem nördlichen Louisiana hierher verschlagen hatte. Vor acht, neun Jahren hatte er kurzfristig in Diensten des Bezirks gestanden. Aber ich konnte mich noch genau an die Apotheke im Ärztehaus von Lafayette erinnern, die ihm in den sechziger Jahren gehört hatte. Er ließ nicht einmal zu, dass Schwarze gemeinsam mit Weißen in einer Schlange anstanden, sondern forderte sie auf, draußen zu warten, bis kein anderer Kunde mehr im Laden war.
Ich traf ihn neben seinem schmucken, grau-roten Bungalow draußen am Spanish Lake an, wo er ein Boot abschmirgelte, das kieloben auf zwei Sägeböcken lag. Seine Frau, die eine Sonnenhaube auf dem Kopf trug, werkelte in dem von einem Jägerzaun umgebenen Garten herum. Ihr Rasen war smaragdgrün, gut gesprengt und mit Flüssigdünger gepäppelt, und zwischen dem wogenden Bambusrohr und den Bananenstauden im hinteren Teil des Grundstücks schimmerte das blaue Wasser des Sees. Doch auch inmitten dieser ländlichen Idylle widmete er sich unverwandt seinem Feldzug wider alles Moderne und focht weiterhin unverdrossen gegen den, wie er es sah, allgemeinen Verfall von Sitte und Moral.
»Sie fragen mich, wie das Blut neben dem Herd an Wand und Decke gelangt ist? Weil die Frau es überall verspritzt hat«, sagte er.
Er trug ein weißes Oberhemd, über das sich die Träger seiner Hose spannten, die er in seine Gummistiefel gesteckt hatte. Er wirkte verkniffen und unwirsch, doch sein missmutiger Blick schien weniger von meiner Frage herzurühren als vielmehr von den Sorgen, die ihn tagtäglich belasteten.
»Die Spur war zu dünn. Außerdem ist mir nicht klar, wie sie mit einer Haue, einem schweren Gerät also, das Blut so weit über die Decke schleudern konnte«, sagte ich.
»Fragen Sie mich lieber, wie sie ihm den Augapfel aus dem Schädel geschlagen hat. Die Antwort lautet, dass sie vermutlich außer Rand und Band war, so stark wie drei Männer. Vielleicht war sie mit Rauschgift voll gepumpt.«
»Laut Drogentest war sie das nicht.«
»Dann weiß ich es auch nicht.«
»Gab es eine zweite Waffe, Doktor?«
»Das
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