Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Pädophiler und ein Sadist. Eines seiner Opfer sitzt jetzt in der Todeszelle. Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen, Sheriff.«
Die Röte stieg ihm vom Hals ins Gesicht. Er wandte den Kopf zur Seite und wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort hervor. Scharf wie ein Indianerprofil zeichnete sich sein Gesicht vor dem Fenster ab.
»Wälzen Sie das nicht auf mich ab, Dave. Das lass ich mir nicht bieten«, sagte er.
»Meiner Meinung nach sollten wir uns den Fall noch mal vornehmen. Ich glaube, es gibt einen zweiten Mörder.«
Er riss die Augen auf und wandte sich an mich. »Ihr habt bei den Anonymen Alkoholikern einen bestimmten Ausdruck, wie heißt er doch gleich? ›Trockene Säufer‹? Sie sind da in eine Situation reingeraten, aus der Sie nicht mehr rauskommen, deshalb suchen Sie sich eine weitere Auseinandersetzung und berauschen sich emotional daran. Ich beziehe mich auf den Tod Ihrer Mutter. Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich Sie nicht vom Dienst suspendiere.«
»War das alles?«, sagte ich.
»Nein. Ein gewisser Don Ritter von der Mordkommission in New Orleans erwartet Sie in Ihrem Büro«, erwiderte er.
»Ritter ist bei der Sitte.«
»Na schön. Klären Sie das mit ihm ab«, sagte der Sheriff, stützte die Hände auf das Fensterbrett und bog den Rücken durch, um seine Kreuzschmerzen zu lindern.
Don Ritter, der Detective, den Helen als Schmalzschädel bezeichnet hatte, saß auf einem Stuhl vor meinem Schreibtisch und putzte sich mit einem goldenen Federmesser über dem Papierkorb die Nägel. Er blickte zu mir auf. Dann widmete er sich wieder seinen Nägeln.
»Der Sheriff sagt, Sie sind bei der Mordkommission«, sagte ich.
»Ja, bin gerade übergewechselt. Ich hab den Fall Zipper Clum übernommen.«
»Wirklich?«
»Wie kommen Sie und Purcel dazu, in New Orleans nach Johnny Remeta rumzufragen?«
»Er wird wegen Hausfriedensbruchs gesucht.«
»Wegen Hausfriedensbruch, was? Wie nett. Und was sollen wir machen, wenn Sie ihn aus der Stadt verscheuchen?«
»Er sagt, das ist nicht seine Art.«
»Sagt er?«
»Ja, er hat mich gestern Abend angerufen.«
Ritter wischte den letzten Schmutz aus seinen Nägeln in den Papierkorb, klappte sein Messer zusammen und steckte es in die Hosentasche. Er schlug die Beine übereinander, drehte den Fuß hin und her und betrachtete die Lichtflecken, die sich auf seinen frisch gewichsten Schuhen spiegelten. Seine eingegelten Haare klebten ihm wie straff nach hinten gespannte Bindfäden am Schädel.
»Dieser Hausfriedensbruch? Handelt es sich dabei um den Einbruch in Little Face Dautrieves Haus?«, sagte er.
»Little Face sagt, Sie hätten ihr Crack untergeschoben. Sie versucht gerade ihren Lebenswandel zu ändern. Warum lassen Sie sie nicht in Ruhe?«
»Ich weiß nicht recht, aber irgendwie gibt mir das alles schwer zu denken, sowohl der Quatsch von wegen Remeta als auch das Gelaber über die arme schwarze Hure, der man so zusetzt. Wollen Sie diesen Kerl drankriegen oder nicht?«
»Sehen Sie Jim Gable in nächster Zeit?«
»Was soll denn das?«
»Bestellen Sie ihm, dass ich bei ihm vorbeischaue, wenn ich das nächste Mal nach New Orleans komme.«
Er kaute mit den Schneidezähnen auf irgendetwas herum, vermutlich einem Fleischfaden.
»Das kommt also dabei raus, wenn man in einem kleinen Kaff noch mal von vorne anfängt. Vermutlich möchte man da an manchen Tagen einfach im Bett liegen bleiben. Besten Dank für die Mühe, Robicheaux«, sagte er.
Ich meldete mich mittags im Büro ab und machte mich auf den Heimweg. Als ich auf der unbefestigten Straße zum Haus fuhr, sah ich einen blauen Lexus, der mir im Schatten der Eichen am Ufer des Bayous entgegenkam. Der Lexus hielt an, und das Fenster auf der Fahrerseite senkte sich.
»Wie geht’s Ihnen, Dave?«, sagte sie.
»Hey, Miss Deshotel. Besichtigen Sie die Gegend?«
»Ich habe gerade mit Ihrer Frau zu Mittag gegessen. Wir sind alte Schulfreundinnen.«
Sie nahm die Sonnenbrille ab; die Schatten der Blätter wanderten auf ihrer olivfarbenen Haut hin und her. Man konnte kaum glauben, dass sie bereits seit den sechziger Jahren im Dienst der Strafverfolgung stand. Mit ihrem straffen Gesicht, dem glatten Hals und den dunklen Haaren wirkte sie so jugendlich frisch, kraftvoll und energiegeladen, als könnte ihr das Alter nichts anhaben.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass ihr einander kennt«, sagte ich.
»Sie konnte sich zuerst auch nicht an mich erinnern, aber … Jedenfalls werden wir euch bald
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