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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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sich zu entgiften, damit sie hinterher von neuem süchtig werden können, Rückfalltäter, die sich nach dem Mutterschoß sehnen, bewaffnete Räuber, die bereit sind, für sechzig Dollar Beute in einem Seven-Eleven zehn Jahre Haft zu riskieren.
    Dazu die Meute, die dreiundzwanzig Stunden am Tag unter Verschluss gehalten wird: Sadisten, Serienmörder, Nekrophile, Sexualverbrecher und Leute, die sich jeder Zuordnung entziehen, die so genannten unzurechnungsfähigen Kriminellen, deren Taten so finster sind, dass sie in Zeitungsartikeln nur andeutungsweise dargestellt werden.
    Ich hätte den Schmieresteher Steve Andropolis am Freitag vernehmen können, am gleichen Tag wie Don Ritter. Aber wozu? Ritter war bestenfalls ein Pfuscher, der vermutlich versuchen würde, die Vernehmung in eine ihm passende Richtung zu steuern, wahrscheinlich auf Andropolis’ Tricksereien hereinfiel und jede Möglichkeit verdarb, von ihm fundierte Auskünfte zu erhalten. Zudem ermittelte Ritter in einem Mordfall und hatte rechtliche Möglichkeiten, die mir nicht zur Verfügung standen.
    Deshalb wartete ich das Wochenende ab und fuhr am Montag nach Morgan City.
    Gerade rechtzeitig, um noch mit anzusehen, wie Andropolis’ Leiche von zwei Sanitätern auf einer Bahre aus dem Gefängnis gerollt wurde.
    »Was ist passiert?«, fragte ich den Beschließer.
    »›Was passiert ist?‹, fragt er«, erwiderte der Beschließer, als ob eine dritte Person im Raum wäre. Er war ein riesiger Mann mit glatt rasiertem Kopf und gewaltiger Kinnlade, dessen übergroßer hellblauer Anzug aussah, als wäre er aus Karton geschneidert.
    »Ich hab hier Leute, die sich aus dem Fenster hängen. Ich hab Ausbrecher, die durch die Lüftungsrohre krabbeln. Ich hab Häftlinge, die durch die Pforte für die Entlassenen spazieren, obwohl sie nicht diejenigen sind, die da durchlaufen sollen«, sagte er.
    Er atmete durch und nahm seine Zigarre aus dem Aschenbecher, legte sie dann wieder zurück und ließ die Knöchel knacken, als wären es Walnüsse.
    »Ich habe Andropolis mit elf anderen Häftlingen zusammen eingesperrt. Die Zelle ist für fünf gedacht. In der Zelle sind drei Biker, von denen nicht mal der Teufel sein Klo schrubben lassen würde. Da ist ein Junge dabei, der Haustieren Glasscherben in den Futternapf steckt. Ein Typ schießt sich seinen Rauschgiftmix mit Whiskey in die Venen. Und das sind die Normalen. Sie fragen, was passiert ist? Jemand hat ihm den Brustkorb zermalmt. Die anderen haben zugeschaut, wie er erstickt ist. Sonst noch irgendwelche Fragen?«
    Er riss ein Streichholz auf seiner Schreibtischplatte an, zündete seine Zigarre wieder an und starrte durch die Flamme auf mein Gesicht.
    Im Grunde genommen war es mir egal, dass Andropolis tot war und wie er gestorben war. Er war ein übler Typ. Er hatte für Killertrupps Schmiere gestanden, hatte Mördern Waffen geliefert – ein Mann, der sowohl vom Leid wie auch von der Schlechtigkeit anderer lebte, wie ein Zuhälter oder ein schmarotzender Aal, der sich an einem Hai festgesaugt hat.
    Am folgenden Tag rief mich Connie Deshotel im Büro an.
    »Ich bin in meinem Camp am See. Hätten Sie Lust, sich dort mit mir zu treffen?«, sagte sie.
    »Wozu?«
    »Ich habe ein Tonband. Eine Kopie von Don Ritters Gespräch mit Andropolis.«
    »Ritter und Andropolis sind reine Zeitverschwendung.«
    »Es geht um Ihre Mutter. Andropolis war dabei, als sie starb. Hören Sie sich die Einzelheiten auf dem Band an. Wenn er lügt, werden Sie’s feststellen … Oder möchten Sie sich das lieber nicht antun, Dave? Sagen Sie’s mir gleich.«

12
    A n diesem Abend fuhren Clete und ich zu einem Bootsanlegeplatz außerhalb von Loreauville, ließen meinen Außenborder zu Wasser und steuerten durch den langen, von Bäumen gesäumten Kanal in den Lake Fausse Pointe. Aus heiterem Himmel prasselte ein Schauer auf den See herunter, dann legte sich der Wind, bis sich kein Lüftchen mehr regte, und allerlei Vögel schwangen sich aus den Zypressen, Weiden und Tupelobäumen in den blutroten Himmel auf.
    Die Alligatoren, die am Ufer schliefen, waren glitschig vor Schlamm und sahen aus, als wären sie aus schwarz-grünem Stein gemeißelt. Mein Nacken fühlte sich heiß an, und ich hatte einen trockenen Mund, ohne dass ich es mir erklären konnte, so wie früher, wenn ich mit einem schweren Whiskey-Kater aufwachte. Clete stellte den Motor ab und ließ das Boot zwischen ein paar Zypressen hindurch auf einen Damm und ein auf Pfählen stehendes Haus mit

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