Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Und damit kommt jemand wie Sookie ins Spiel.«
Als ich nicht darauf einging, sagte er: »Eine Menge Leute denken, dass Earl K. Long nichts als ein unbeleckter Bauernlackel war. Aber Earl hat allerhand Gutes bewirkt, ohne dass die Leute drüber Bescheid wissen. So zum Beispiel, als sich ein ganzer Haufen Negerinnen über staatliche Förderungsmaßnahmen zu Krankenschwestern ausbilden ließen, aber über kurz oder lang feststellen mussten, dass sie nirgendwo eine Anstellung bekamen. Earl erfährt das und sagt, er will das staatliche Krankenhaus aufsuchen. Er schüttelt allen möglichen Leuten die Hand, schaut in die Operationssäle rein, probiert die Toiletten aus, lässt dann das ganze Verwaltungspersonal in einem Raum zusammenkommen und die Türen abschließen.
›Ich habe mir grade was ganz Erbärmliches anschauen müssen‹, sagte er. ›Ihr habt hier lauter weiße Schwestern, die schwarze Patienten betreuen, Hand an sie legen, ihre Bettpfannen raustragen und wer weiß was sonst noch alles machen müssen, und das lass ich nicht zu. Entweder stellt ihr auf diesen Stationen Negerschwestern ein, oder ihr seid alle euren Posten los.‹
Eine Woche später hat die staatliche Klinik zwei Dutzend schwarze Schwestern beschäftigt.«
»Eine schöne Geschichte«, sagte ich.
»Geschichten sind alles, was die Menschheit zu bieten hat, Dave. Man muss sich bloß eine raussuchen, die einem gefällt, und sich dran halten«, erwiderte er.
»Wirst du Letty Labiche hinrichten lassen?«
Er setzte seinen Hut auf, fuchtelte mit den Händen in der Luft herum wie ein fahrender Sänger, als er die Böschung hinabging und sich wieder zu seinem Tross gesellte.
14
E in paar Meilen weiter südlich von uns lag Grand Bois, eine kleine, von einfachen Arbeitern bewohnte Gemeinde, in deren Auftrag ein junger Anwalt, der erst zwei Jahre zuvor sein Jurastudium abgeschlossen hatte, gegen eine große Ölfirma klagte. Bei den Einheimischen handelte es sich überwiegend um Cajuns und Houma-Indianer, arme, ungebildete Leute ohne jede politische Macht und ahnungslos in allen Rechtsfragen – ideale Voraussetzungen für den Standort einer offenen Müllkippe zur Ablagerung von Ölschlamm, der von einem petro-chemischen Betrieb in Alabama angekarrt wurde.
Von Seiten der Firmenleitung bestritt man keineswegs den Vorwurf, dass dort Benzole, Schwefelwasserstoffe und Arsen lagerten. Das war auch nicht nötig. Vor Jahren, zu Zeiten der Ölkrise, hatte der amerikanische Kongress die gesamte Erdöl verarbeitende Industrie per Blankovollmacht von allen Auflagen befreit, die den Umgang mit Giftmüll regeln. Außerdem gelten Erdölabfallprodukte im Staat Louisiana nicht als Gefahrenstoffe.
Der Staat, die Ölfirma und die Gemeinde Grand Bois lagen nun in einem Rechtsstreit miteinander, und Connie Deshotel musste von Amts wegen die Stellungnahmen der betroffenen Anwohner einholen, die behaupteten, dass ihre Kinder unter Schwindelanfällen, Augenreizungen, Hautausschlag und Durchfall litten, der so schlimm sei, dass sie einen Eimer mitnehmen müssten, wenn sie mit dem Auto unterwegs wären.
Zwei Familien aus Grand Bois waren unterdessen nach New Iberia gezogen und wohnten an der Straße droben am Bayou, unweit von Passion Labiches Nachtclub. Am Montagmorgen bekam Helen Soileau den Auftrag, Connie Deshotel und ihren Assistenten zu ihnen zu fahren.
Sie berichtete mir später von Connie Deshotels absonderlichem Verhalten, konnte sich aber selber nicht erklären, was dazu geführt hatte.
An diesem Morgen hatte es heftig geregnet, dann legte sich der Wind und die Sonne stand grell und gleißend am Himmel, ließ das Wasser draußen auf den Feldern verdampfen und erzeugte eine Glocke aus heißem Dunst, dass man das Gefühl hatte, als krabbelten einem Ameisen unter der Kleidung herum.
Die Klimaanlage im Streifenwagen begann zu scheppern, keuchte dann einmal auf und fiel aus. Connie Deshotel hatte ihre weiße Kostümjacke ausgezogen, zusammengefaltet und über den Schoß gelegt und versuchte sich zu beherrschen, während ihr Assistent auf dem Rücksitz ohne Unterlass redete. Schweißringe zeichneten sich unter ihren Achseln ab, und das Funkeln in ihren Augen wurde zusehends feindseliger.
Ihr Assistent unterbrach seinen Monolog einen Moment lang, zerknackte ein Pfefferminzbonbon zwischen den Backenzähnen und legte wieder los.
»Wieso ziehen die Leute aus Grand Bois nicht irgendwo hin, wo es keine Ölindustrie gibt? Heuern zum Beispiel als Walfänger in Japan an.
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