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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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ebenso beachtlicher Größe ist wie die anderen Nationalparks im Westen. Über die sich bergauf windenden Straßen kam ich nur langsam voran, aber die Landschaft war herrlich.
    Zwei Stunden fuhr ich durch die mit Felsblöcken und großen Flecken Schnee übersäten Berge, bis schließlich die dunklen, geheimnisvollen Wälder der Riesenmammutbäume (Sequoidadendron giganteum, wie es in der Broschüre hieß) vor mir lagen. Die Bäume waren riesig, kein Zweifel. Und in Bodennähe waren die Stämme ungeheuer dick, aber nicht so dick, dass ein Highway hindurchgepasst hätte. Vermutlich würden die Bäume dicker, je tiefer ich in den Wald fuhr. Sequoias sind hässliche Bäume. Sie scheinen ins Unermessliche zu wachsen, doch mit
ihren wenigen kurzen, aber stämmigen Ästen sehen sie so komisch aus wie die Bäume auf den Zeichnungen von Dreijährigen. Mitten im Giant Forest steht der General Sherman Tree – der größte lebende Organismus auf Erden. Sicher war General Sherman der Baum, den ich suchte.
    »Chevette, alter Junge, ich habe eine Überraschung für dich!«, frohlockte ich und tätschelte liebevoll das Lenkrad. Während ich mich General Sherman näherte, stand ich plötzlich vor einem kleinen Parkplatz und vor einem Pfad, der durch den Wald zum Baum führte. Scheinbar war es nicht mehr möglich, durch ihn hindurchzufahren. Das war eine Enttäuschung – wie so vieles im Leben. Egal, dachte ich, dann werde ich eben hindurchlaufen. Umso länger dauert das Vergnügen. Ich werde sogar mehrmals durch den Baum laufen, ich werde mitten hindurchspazieren und hindurchschweben, und wenn nicht allzu viele Leute in der Nähe sind, werde ich sogar um ihn herumhopsen, so leichtfüßig, wie Gene Kelly während Singin’ in the Rain durch die Pfützen tanzt.
    Ich knallte die Autotür zu und ging den Weg entlang zum Baum. Und da stand er. Um ihn herum hatte man einen niedrigen Zaun gezogen, der ihm die Leute vom Leib halten sollte. Er war groß, gewiss, groß und dick, aber nicht so groß und nicht so dick. Und kein Weg führte durch seinen Stamm. Vielleicht war es möglich, eine Straße von mäßiger Breite durch ihn hindurchzuschlagen, doch – und darauf kommt es schließlich an – das hatte niemand getan. Neben dem Baum stand eine hölzerne Tafel mit einer aufschlussreichen Mitteilung. Ich las: »Der riesenhafte General Sherman ist nicht nur der größte Baum der Welt, er ist zugleich der größte lebende Organismus. Er ist mindestens 2500 Jahre alt und zählt somit auch zu den ältesten lebenden Organismen. Und dennoch, ist er nicht erstaunlich langweilig? Das liegt daran, dass er wiederum nicht so groß und nicht so dick ist, wie man erwarten könnte. Von anderen Redwoods unterscheidet er sich dadurch, dass er sich nicht wesentlich
verjüngt. Auf seiner gesamten Länge bleibt der Stamm fast gleich dick. Daher wirkt er massiger als jeder andere Baum. Wer wirklich eindrucksvolle Redwoods sehen will – solche mit einer Straße durch den Stamm –, der sollte sich in den Redwood National Park unweit der Staatsgrenze von Oregon begeben. Den Zaun rund um den Baum haben wir übrigens errichtet, um Sie daran zu hindern, General Sherman zu nahe zu rücken, und nicht zuletzt, um Ihnen vollends den Spaß zu verderben. Doch damit nicht genug – jetzt kommt auch noch eine Gruppe lärmender junger Deutscher hinter Ihnen den Weg hinauf. Ist das Leben nicht beschissen?«
    Wie Sie sich schon gedacht haben werden, habe ich den Wortlaut ziemlich frei wiedergegeben; der Inhalt entspricht jedoch im Wesentlichen dem Original. Die Deutschen kamen tatsächlich, waren unausstehlich und rücksichtslos, wie Heranwachsende im Allgemeinen so sind, und stahlen mir den Baum. Sie ließen sich auf dem Zaun nieder und begannen zu fotografieren. Ich machte mir einen Spaß daraus, vor dem Fotografen herzugehen, sobald der sich anschickte, auf den Auslöser zu drücken. Doch Scherze dieser Art haben nur einen flüchtigen Unterhaltungswert, selbst wenn man sie mit Deutschen treibt. Also kehrte ich ihnen nach ein, zwei Minuten den Rücken und ließ sie in Ruhe über die Pop Musik und das Drugs Scene und ihre übrigen pubertären Interessen quasseln.
    Im Wagen sah ich auf die Karte und stellte entmutigt fest, dass ich fast 500 Meilen vom Redwood National Park entfernt war. Ich konnte es kaum glauben. Ich befand mich nun 300 Meilen nördlich von Los Angeles, und würde ich weitere 500 Meilen gen Norden fahren, wäre ich noch immer in Kalifornien. Der Staat

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