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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Hummerfangkörbe, der umbrandeten Küsten und einsamen Leuchttürme auf granitenen Felsen. Doch an meinem Weg lagen nur Städte, die ebenso nichts sagend und eintönig waren wie die von Wäldern bedeckte Landschaft. Irgendwann hinter Falmouth führte die Straße dann für etwa eine Meile an einer silbrigen Bucht entlang, über die sich eine lange Brücke in eine von idyllisch gelegenen Farmen
übersäte Hügellandschaft spannte, und ich schöpfte neue Hoffnung. Doch es war blinder Alarm. Kurz darauf zeigte sich die Landschaft wieder von ihrer langweiligsten Seite. Das wahre Maine blieb mir verborgen. Es war immer irgendwo dahinten, wie die Vergnügungsparks, die mein Dad zu umkreisen pflegte, ohne sie jemals zu erreichen.
    In Wiscasset, nach einem Drittel der Strecke die Küste hinauf nach New Brunswick, verlor ich den Mut. Einem Schild am Ortseingang entnahm ich, dass ich mich nun im hübschesten Dorf im Staate Maine befand, was für den Rest des Staates nicht viel zu hoffen übrig ließ. Ich will nicht sagen, dass Wiscasset hässlich war. Es hatte eine von Kunstgewerbeläden und anderen Yuppie-Geschäften gesäumte Hauptstraße, die steil abfallend zu einer friedlichen Bucht führte, in der zwei alte Holzschiffe vor sich hin faulten. Wiscasset war nicht übel, aber eine vierstündige Autofahrt lohnte es nicht.
    Spontan beschloss ich, die Route 1 zu verlassen und mich zu den dichten Kiefernwäldern im Herzen Maines aufzumachen, um dann auf Umwegen die White Mountains anzusteuern. Schon nach wenigen Meilen spürte ich, wie sich die Stimmung des Landes zu verändern begann. Die Wolken hingen tiefer und zogen nun konturlos über den Himmel, das Tageslicht wurde spärlicher. Der Winter stand vor der Tür. Ich befand mich nur ungefähr siebzig Meilen von Kanada entfernt, und man sah es dem Land an, dass die Winter hier lang und streng waren. Es war an dem brüchigen Asphalt der Straßen und den riesigen Stapeln Feuerholz vor jeder einsamen Hütte abzulesen. Viele Schornsteine stießen bereits winterliche Rauchwölkchen aus. Der Oktober hatte kaum begonnen,: doch hier herrschte schon diese kalte, leblose Atmosphäre, die einen den Kragen hochschlagen lässt und die Sehnsucht nach dem heimischen Herd weckt.
    Gleich hinter Gilead überquerte ich die Staatsgrenze von New Hampshire, und die Landschaft wurde interessanter. Groß und mächtig und so grau wie Holzasche stiegen die White
Mountains vor mir auf. Ihren Namen verdanken sie vermutlich den Birken, die ihre Hänge bedecken. Über den leeren Highway fuhr ich durch Wälder zitternden Laubes. Der Himmel war auch jetzt noch niedrig, und die Luft war kalt, doch zumindest hatte ich die Eintönigkeit der Wälder von Maine hinter mir gelassen. Die Straße hob und senkte sich wie ein zusammengeschobener Teppich und schlängelte sich am Rand einer mit Felsblöcken übersäten Schlucht entlang. Zwar bot die Landschaft nun einen weitaus reizvolleren Anblick, aber farblos war sie noch immer. Von den strahlenden Gold- und Rottönen des Herbstes, von denen ich so viel gelesen hatte, war weit und breit nichts zu sehen. Vom Erdboden bis zum Himmel präsentierte sich alles in glanzlosem, leichenblassem Grau.
    Ich fuhr am Mount Washington vorbei, dem höchsten Gipfel im Nordosten der USA (1917 Meter – für die, die es genau wissen wollen). Doch die eigentliche Besonderheit dieses Berges ist nicht seine Höhe, sondern sein außerordentlich raues Klima. Sein Gipfel ist der stürmischste Ort der Vereinigten Staaten. Hier wurde die höchste jemals auf dieser Erde festgehaltene Windgeschwindigkeit gemessen, nämlich im April 1934, als eine Böe mit 371 Stundenkilometern um den Berg pfiff. Für die Meteorologen, die da oben gearbeitet haben, muss das ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein. Können Sie sich vorstellen, jemandem einen solchen Sturm zu beschreiben? »Ja, es war, weißt du, es war wirklich ... stürmisch. Ich meine, wirklich stürmisch. Verstehst du, was ich meine?« Es muss frustrierend sein, etwas wirklich Einzigartiges erlebt zu haben.
    Ich erreichte Bretton Woods, das ich mir immer als malerisches kleines Städtchen vorgestellt hatte. Aber da war keine Stadt. Da war ein Hotel und ein Skilift und sonst gar nichts. Das riesige Hotel sah aus wie eine mittelalterliche Festung mit hellrotem Dach, wie eine Kreuzung zwischen dem Monte Cassino und einer Pizza Hut. In seinen Mauern haben sich im Jahre 1944 Wirtschaftswissenschaftler und Politiker aus achtundzwanzig
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