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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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zusammengesetzt und die Gründung des Internationalem Weltwährungsfonds und der Weltbank beschlossen. Sicherlich ein geeigneter Ort, um dort Wirtschaftsgeschichte zu schreiben. Wie formulierte es John Maynard Keynes seinerzeit in einem Brief an seinen Bruder Milton? »Es war eine äußerst zufriedenstellende Woche. Der Umgangston während der Verhandlungen war höflich, das Essen ist vorzüglich, und die Kellner sind ganz allerliebst.«
    Die Nacht wollte ich in Littleton verbringen – wie der Name schon sagt, eine kleine Stadt unweit der Staatsgrenze von Vermont. Ich hielt vor dem Littleton Motel an der Hauptstraße. An der Tür des Büros verkündete ein Schild: »Eis und gute Ratschläge nur bis 18.30 Uhr. Ich führ die Frau zum Essen aus. (›Das wird aber auch mal Zeit! – die Frau‹).« Drinnen saß ein alter Mann. Er erläuterte mir, dass ich großes Glück hätte, denn es wäre nur ein Zimmer frei, und zwar für 42 Dollar zuzüglich Steuern. Als er merkte, dass ich geradewegs wieder hinausgehen wollte, fügte er eilig hinzu: »Es ist wirklich ein hübsches Zimmer. Mit einem nagelneuen Fernseher, schönen Teppichen und einer netten kleinen Dusche. Wir haben die saubersten Zimmer in der ganzen Stadt. Dafür sind wir berühmt.« Mit dem Arm strich er über eine Sammlung von Gästeempfehlungen, die auf dem Empfangstresen unter Glas ausgestellt waren. »Unser Zimmer war bestimmt das sauberste in der ganzen Stadt!« – A. K., Aardvark Falls, Ky. »Mein Gott, war unser Zimmer sauber! Und so schöne Teppiche!« – Mr. und Mrs. J. F., Spotweld, Ohio. Und dergleichen mehr.
    An der Richtigkeit dieser Beteuerungen hatte ich so meine Zweifel. Da ich jedoch zu erschöpft war, um nochmal ins Auto zu steigen, trug ich mich seufzend ins Gästebuch ein. Ich nahm den Schlüssel und einen Eimer voller Eis (für 42 Dollar zuzüglich Steuern wollte ich mich auch aller Leistungen dieses Hauses erfreuen) und begab mich auf mein Zimmer. Und wirklich, es war das sauberste Zimmer der ganzen Stadt. Der Fernseher war nagelneu,
und der Teppich war außerordentlich elegant. Das Bett war bequem, und die Dusche war ein wahres Schmuckstück. Augenblicklich schämte ich mich für die Anschuldigungen, die ich im Stillen gegen den Inhaber des Motels erhoben hatte, und nahm all meine Unterstellungen zurück. (»Ich war ein aufgeblasener kleiner Idiot, Ihre Worte in Zweifel zu ziehen.« – Mr. B. B., Des Moines, Iowa.)
    Ich lutschte vierzehn Eiswürfel und sah mir im Fernsehen die Nachrichten an. Auf die Nachrichten folgte eine uralte Episode aus Gilligan’s Island, die der Sender gewiss nur deshalb ins Programm genommen hatte, um seine nicht-hirngeschädigten Zuschauer von den Fernsehgeräten zu vertreiben und sie dadurch zu etwas Sinnvollerem anzuregen. Also erhob ich mich und ging hinaus, um mir die Stadt anzusehen. Ich hatte mich für Littleton als Nachtquartier entschieden, weil es in meinem Reiseführer als malerisches Städtchen beschrieben wurde. Wie ich jedoch feststellen musste, zeichnete sich Littleton eher durch seinen einzigartigen Mangel an pittoresker Beschaulichkeit aus – wenn es sich überhaupt durch irgendetwas auszeichnete. Das Städtchen bestand im Großen und Ganzen aus einer langen Straße mit Gebäuden von zumeist durchschnittlichem Reiz. Dazu gesellte sich auf halber Höhe ein Supermarkt mit Parkplatz und, ein paar Meter weiter, die Überreste von dem, was einmal eine Tankstelle gewesen war. Unter einem malerischen Städtchen, und ich denke, da sind wir uns alle einig, verstehe ich etwas anderes. Glücklicherweise hatte Littleton andere Tugenden. Es entpuppte sich nämlich als die freundlichste Kleinstadt, die ich je gesehen habe. Als ich das Restaurant Topic of the Town betrat, lächelten mich alle Gäste an, die Dame an der Kasse zeigte mir, wo ich meine Jacke lassen konnte, und die Kellnerin, eine rundliche kleine Lady mit Grübchen, las mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Es kam mir fast so vor, als stünden sie alle unter der Wirkung einer wundersamen Droge. Die Kellnerin brachte mir die Speisekarte, und ich machte den Fehler, mich dafür zu bedanken.
»You’re welcome«, sagte sie. Wenn man einmal damit anfängt, nimmt es kein Ende. Sie kam und wischte den Tisch mit einem feuchten Lappen ab. »Thank you«, sagte ich. »You’re welcome«, sagte sie. Sie brachte das in eine Papierserviette gewickelte Besteck. Ich zögerte, konnte aber nicht anders und sagte »Thank you.« »You’re welcome«, sagte sie. Nun

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