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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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vor: man wählt keine Verantwortung, dachte ich, sondern akzeptiert diejenige, die dem eigenen Befinden entspricht.
    »Warum starrst du mich so an? « sagte die Frau. Sie war durchnässt , das Haar klebte an ihrem runden Eskimokopf, an den Wangen, dem Hals, den Schultern. »Möchtest du etwas sagen? «
    »Es ist wirklich aus «, sagte ich. »Vorbei. « Ihr Gesicht hatte einen seltsam unbeteiligten Ausdruck, als würde sie meine Worte lediglich aufzeichnen.
    »Hat Magruder …« begann sie sehr ruhig.
    »Nein, Magruder hat überhaupt nichts damit zu tun «, unte r brach ich sie. »Diesbezüglich hattest du Recht . Er ist lediglich eine Art Zeichen. Wenn es zwischen uns so wie früher wäre, hättest du ihn überhaupt nicht gesehen. Wir härten ihn gar nicht mitgenommen. « Ich sprach die Worte undeutlich aus, dennoch war mir zumute, als hätte ich endlich die Klarheit gefunden, nach der ich gesucht hatte.
    »Owen, Owen, wir sind eins «, sagte sie. »Du möchtest de i ne Wunden lecken und gleichzeitig geißeln. Gehen wir zum Auto zurück und fahren nach Hause. « Sie flehte, ihre kalte Hand lag auf meinem Arm.
    »Nein, ich habe es gerade gesehen. Wie eine Himmel s schrift. « Mir fiel die Schroffheit meiner Worte auf. Hatt e i ch nicht gerade › Aus ‹ gesagt? Ich versuchte, es leichter für sie zu machen. »Ich wollte damit sagen, wir gehen einander nur noch auf die Nerven, und jeder Fortschritt, den wir machten, ist d a hin. Es war schon vor ein paar Tagen zu Ende. Alles, was ich von dir gelernt habe, sagt mir das. «
    »Wovon redest du? « Sie umklammerte mit verzerrtem G e sicht meinen Arm. »Wovon redest du? «
    Ich konnte mein Hochgefühl nicht mit einem einzigen Satz ausdrücken; ich sagte: »Du hast mich glücklicher g e macht als jemals zuvor jemand, glücklicher als ich je in meinem Leben war, und auch stärker. Aber die Zukunft hat gerade geendet. «
    »Worüber bist du so verdammt glücklich! « Sie betonte es nicht als Frage, sondern schrie es mir ins Gesicht; ich konnte sehen, wie sie versuchte, sich selbst wütend zu machen, um nicht in Tränen auszubrechen. »Wenn du mir sagen möchtest, dass du mich verlassen wirst, dann red nicht um den heißen Brei herum. «
    »Das versuche ich dir ja zu sagen – ich bin glücklich. Ich schwebe vor Glück. «
    »Also gut, du schwebst «, sagte sie wütend.
    Der Himmel wurde noch dunkler und brachte einen neuerl i chen Regenschauer mit sich. Schlamm spritzte von dem durc h weichten Gras hoch. »Du elender Dreckskerl «, sagte sie. »Du dummer, puritanischer, verblendeter, egoistischer Dreckskerl! Wenn du mich verlassen willst, dann geh! Geh! Oh, du unglau b licher Schlappschwanz! « Meine Liebe zu ihr verzehrte mich.
    Ich packte sie an den Schultern und presste sie dicht an mich. Mein Gesicht glitt über ihre nasse Stirn. »Es ist wahr «, sagte ich. »Ich liebe dich. « Ihr Kopf schlug gegen mein Kinn.
    Sie stieß mich mit erstaunlicher Kraft von sich, ich stolperte gegen die Eiche hinter mir. Sie lief über den Rasen, alle paar Schritte sanken ihre Füße in den Schlamm ein. Ich begann, zum Auto zu laufen.
    »Raus! Raus! « kreischte sie, als sie sah, dass ich gleichze i tig mit ihr die Tür öffnete. » las mich in Ruhe! «
    Ich stieg ein, bevor sie die Tür verriegeln konnte, und sie ließ den Motor so unvermittelt an, dass wir förmlich auf die nasse Straße geschleudert wurden. Sie drehte das Lenkrad wie von Sinnen, und wir wirbelten auf übelkeiterregende Weise herum, bevor die Reifen fassten . Dann trat sie wütend die Kupplung durch und schaltete in den zweiten Gang, worauf sie das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Der Motor gab ein überlastetes Heulen von sich, und wir sch o ssen rasend die g e neigte Straße hinab.
    Als das Auto in eine gefährliche Kurve fuhr, auf die ein vorbeifliegendes Schild hinwies , trat die Frau auf die Bremse, bevor sie versuchte zu schalten. Ich sah ihren Fuß auftreten, dann den panischen Gesichtsausdruck: die Bremse ging ohne Widerstand bis zum Boden durch. Mit überhöhter Geschwi n digkeit gerieten wir in der ersten Kurve ins Schleudern. Ich sah, wie sich die Fassaden der Läden und Häuer irrsinnig zur Seite neigten und durcheinander wirbelten , dann verschwa n den sie völlig, als wir die Böschung hinabstürzten.
     
    Unter meinem Kopf zähe Feuchtigkeit. Ich öffnete die Augen und sah Männer, zwei davon rauchend, die sich über mich beugten. Einer der Männer berührte mit warmen, riesigen Fi n gern mein

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