Straub, Peter
stockdunkel. Ich wusste sofort, dass das Gebäude, zumindest heute, verlassen war.
Die Frau tat so, als könnte sich jemand drinnen aufhalten. »Wo ist die Tür? Oh, ich sehe sie. « Sie ging über feuchtes Gras zu einer hinter einer einsamen Zypresse halb verborgenen Tür. Sie fand den Klingelknopf und drückte darauf. Drückte noch einmal. »Es muss jemand da sein «, sagte sie. Ich ging zur Tür und klopfte. Ein totes, hohles Geräusch. Ich spürte, wie das Wasser in meinen Schuhen kalt wurde.
»Was machen wir jetzt? « Sie legte die Hände auf den Kopf. Das Haus war dunkel und verschlossen. Als sie noch einmal die Klingel betätigte, konnten wir sie drinnen hohl hallen h ö ren. »Siehst du irgendwelche Fenster? « fragte sie mich.
Ich nahm ihre Hand, wir gingen gemeinsam um Cezannes Haus herum, das von den dunklen Bäumen fast erdrückt wu r de. Wir sahen zwei große Fenster im Erdgeschoß, die in den überwucherten Garten blickten. Wir gingen zu diesen von Ästen abgeschirmten Fenstern und sahen hinein. Hinter uns e ren eigenen Spiegelbildern sahen wir jedoch nur weiß verha n gene anonyme Möbelstücke in einem staubigen Zimmer. »Das muss sein Wohnzimmer gewesen sein «, sagte die Frau. Sie trat zurück in die Zweige, die sie mit den Händen niederdrückte, und sah nach oben. »Sein Atelier war dort oben! « rief sie. »Im ersten Stock! Ich kann es von hier sehen! «
Ich trat zu ihr zwischen die dichten Zweige. Als ich nach oben sah, erblickte ich zwei parallele Glasscheiben in der Fa s sade; im wolkenverhangenen Licht sahen sie aus, als wären sie schwarz übermalt worden.
Den ganzen langen Weg in die Stadt zurück stritten wir mi t einander; als wir endlich das Hotel erreichten, hinkte ich und presste die Hände gegen den Magen. Ich war wütend, weil wir kein Taxi genommen hatten. Der Fußmarsch war ihre Idee gewesen: Sie hatte vergessen, wie lang die Strecke von der Stadtmitte zum Atelier war. Wegen der Schmerzen und dieser Fehleinschätzung mürrisch, ging ich nicht zum Essen, sondern trank stattdessen aus der Whiskeyflasche in unserem Zimmer. Die Scheibe waberte vor mir: Ich konnte die Bedeutung von vorhin nicht mehr greifen, und der Knoten in meinem Inneren zog sich noch enger zusammen, der Whiskey konnte das P o chen lediglich dämpfen.
Die Frau aß im Hotel, während ich oben in dem abgedu n kelten Zimmer lag und den Regen gegen die grauen Fenster prasseln sah. Nachdem sie den Nachmittag mit mir auf dem Zimmer verbracht hatte, war sie in gereizter Stimmung nach unten gegangen. »Meinst du nicht, du könntest wenigstens eine Weile nach draußen gehen? « hatte sie gefragt. »Wah r scheinlich wird es heute Abend wieder regnen, und wir sollten uns ansehen, was wir können, so lange das Wetter hält. Es ist so stickig hier drinnen. Ich wäre lieber draußen, auch wenn es zu regnen anfängt. «
»Dann geh «, hatte ich gesagt. »Wenn du möchtest. «
»Ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen. «
»Dann geh. «
»Nach dem gestrigen Tag war ich sicher, dass du wieder du selbst sein würdest. « Ihr Gesicht, das vom herabfallenden Haar abgeschirmt wurde, drückte Gefühle aus – ob Liebe oder Ve r achtung, das konnte ich nicht sagen. »Du wolltest, dass ich das tue, nicht? Ich hätte es für keinen anderen Mann auf der Welt getan. «
»Ich glaube, das weiß ich «, hatte ich gesagt.
»Das solltest du wissen. Als ich dir diese Nachricht g e schrieben hatte, war ich so glücklich! Ich war sicher … oh, ich kann so nicht mit dir reden! Es hat etwas Entwürdigendes. «
»Es hat dir nichts ausgemacht, dich mit Magruder zu en t würdigen «, hatte ich geantwortet.
»Du bist gemein, wirklich gemein «, hatte sie gesagt.
»Nun, ich werde mich nicht krank machen. « Ich griff nach der Flasche. »Es kommt und geht. Ich bin in übler Stimmung. Mit der Zeit werde ich mich daran gewöhnen, dann wird alles wieder gut. Ich kann nicht den Rest meines Lebens so verbringen. «
»Bist du überhaupt nicht hungrig? Du hast seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen. «
Ich hätte nichts essen können. Eine dampfende, hässliche Vision von fettem Fleisch erstand vor mir und ließ mein Inn e res erbeben. »Ich fürchte nicht «, hatte ich geantwortet.
Sie ging rauchend zwischen Bett und Fenster hin und her. »Nun, ich kann keine Minute mehr in diesem Zimmer bleiben. Ich werde verrückt. «
»Warum gehst du nicht unten etwas essen? Es ist schon nach sieben. Vielleicht können wir weggehen, wenn du wieder
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