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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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aber Morgan muss man immer ein wenig bedrängen, d a mit sie etwas aus sich macht. Sie hatte immer die Nase in e i nem Buch, schon als kleines Mädchen, und wir mussten i m mer hinterher sein, damit sie sich etwas besser kleidete. Ich bin sicher, Joanie hatte etwas damit zu tun. Du weißt ja, wie Schwestern sind. «
    »Ich habe deinen Drink «, sagte ich.
    »Du bist ein wahrer Gentleman, Owen «, sagte sie. Ich konnte sehen, wie ihre Unterlippe zu zittern anfing. »Wir h a ben dich beide sehr gerne, weißt du. Du wirst ein wunderbarer Ehemann sein, das weiß ich. « Sie trank aus ihrem Glas und sah mir ins Gesicht. »Wir machen uns nur ein wenig Sorgen wegen Joanie und Fred «, sagte sie.
    »Fang jetzt nicht damit an «, sagte Papa. »Joanie kann jeden Augenblick wieder hier sein. «
    Einen Augenblick lang, während ich sie betrachtete, wie sie durch die obskure Sorge um ihre Tochter vereint waren – denn es war deutlich, dass heute Vormittag etwas Unglückliches geschehen sein musste –, konnte ich Morgans Gesicht in einer bruchstückhaften, verzerrten Weise in den Gesichtern ihrer Eltern wieder erkennen . Sie schien wie latent dazusein, als eine Kraft, mit der ich nur andeutungsweise zurechtkommen konnte. Morgan hatte das hellbraune Haar und die braunen Augen ihres Vaters, während die glatten Gesichtszüge und das feste, kleine, unnachgiebige Kinn von ihrer Mutter stammten.
    Mir waren diese Ähnlichkeiten schon früher aufgefallen, aber noch niemals in dieser absoluten Deutlichkeit.
    »Ich weiß, ich weiß «, sagte Maxine. »Oh, ich bin so froh, dass wir einen so schönen Tag für die Hochzeit haben. «
    Während wir uns unterhielten, hatte sich in unserer Nähe eine kleine Gruppe gebildet, die auf eine Pause in der Unte r haltung wartete. Ein kahler, sonnengebräunter Mann mit dun k ler Brille und einem teuer aussehenden dunklen Anzug, sowie eine blonde Frau, die seinen Arm hielt, waren die ersten, die das Wort ergriffen. .
    »Ist dieser hübsche junge Mann der Glückliche? « fragte die Frau. »Sie sind sehr nett und groß. «
    Ich nickte und verneigte mich ein Stück in ihre Richtung. Der kahle Mann mit der Sonnenbrille ergriff meine Hand. Er hatte überall denselben braunen Farbton, als wäre er aus Holz geschnitzt. »Gratuliere, junger Mann. Sie bekommen ein wu n derbares Mädchen mit wunderbaren Eltern. Aber das wissen Sie natürlich, das muss ich Ihnen nicht sagen. « Er stieß mich in die Seite. »Wissen Sie, das sagt man zum Bräutigam, › gr a tuliere ‹ – zur Braut sagt man › Viel Glück ‹ . « Er bellte ein L a chen gegen meine Brust, als würde er einen privaten Scherz mit mir teilen.
    »Achten Sie nicht auf ihn «, sagte die Blondine. »Er hat schon zuviel getrunken. Wir haben von Ihren neuen Schwi e gereltern schon soviel von Ihnen gehört, und wir wollten Sie unbedingt persönlich kennen lernen . «
    Maxine schwebte an die Seite der Blondine. »Oh, darf ich vorstellen «, krähte sie. »Charles und Esther La Rochelle, dies ist Owen, Owen, Charles und Esther La Rochelle. Charles und Esther kennen unsere Mädchen schon jahrelang, und sie sind liebe Freunde von uns. « Wir schüttelten uns erneut die Hände, Morgan hatte mir von den La Rochelles erzählt. »Charles ist der Besitze r d es Tennisclubs, er war früher Schmuggler «, hatte sie gesagt. »Aber dann wandte er sich größeren Dingen zu. Ich glaube, er ist ein Krimineller. Esther war seine Sekretärin, b e vor sie geheiratet haben, waren sie der Lieblingsskandal me i ner Eltern. «
    »Ich habe auch schon von Ihnen gehört «, sagte ich. Maxine strahlte.
    Einen Augenblick standen wir fünf beisammen, nickten ve r legen, schwiegen und wussten nicht, was wir tun sollten. Papa unterbrach das vorübergehende Schweigen, indem er Maxine am Ärmel zupfte und sagte: »Entschuldigt mich einen Auge n blick. Mein Mädchen und ich müssen noch eine kleine Konf e renz abhalten. «
    »Letzte Spielbesprechung! « bellte La Rochelle. »Dein Teil ist einfach. Du nimmst einfach Morgans Arm und versuchst, eine gerade Linie zu gehen. « Während er über seinen eigenen Witz lachte, tätschelte die Frau seinen Arm.
    »Charles, sei jetzt still. Bitte. « Sie war das Ziel eines e r staunlich nüchternen Nickens ihres Mannes, dessen Gesicht einen Augenblick so hart und ausdrucksstark wie das eines Schauspielers war.
    Papa führte Maxine ein paar Schritte beiseite und ließ die La Rochelles und mich an der Bar stehen. Sie waren so nahe, dass sie Papas lautes

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