Straub, Peter
Flüstern deutlich hören konnten.
»Verdammt, ich werde verrückt «, sagte er. »Wo, zum Te u fel, steckt sie? Richter Kampf kann jeden Augenblick hier sein, es ist fast vier Uhr, die Hochzeit soll anfangen, und sie fährt irgendwo mit ihrem ausgeflippten Ehemann in der G e gend herum! «
Maxine flüsterte etwas, das ich nicht hören konnte.
Die La Rochelles und ich sahen zu Boden und taten so, als könnten wir Papas wütendes Zischen nicht hören. Ich fand einen neuen Drink in meiner Hand – gereicht, ve rm utete ich, von Charles –, und damit besc häftigte ich mich, bis La Roche l l e wieder sprach. Er hatte sich auf sein altes Benehmen beso n nen, seine Stimme klang jovial, zumindest bei den ersten Sä t zen.
»Ich will Ihnen etwas sagen, Owen «, sagte er. »Regen Sie sich niemals wegen anderer Leute Probleme auf. « Seine So n nenbrille glitzerte einen Augenblick, als sich Licht vom Fe n ster darin fing. Sein breites braunes Gesicht war ausdruckslos und rätselhaft hinter der Brille. »Sie können nicht die Seele n tante für die ganze Welt sein – hören Sie? Haben wir uns ve r standen? «
Ich dachte schon, auch wenn es unwahrscheinlich schien.
In den folgenden fünf Sekunden fanden drei verschiedene Ereignisse gleichzeitig statt. Über den Kopf von Esther La R o chelle hinweg sah ich Sandy Bosch auf uns zukommen, sein großes, rosiges Gesicht verströmte einen Ausdruck unendl i chen, hohlen Wohlwollens. Es sah aus, als wollte er zu Charles. Aber bevor er ihm auf die Schulter klopfen konnte, hörten wir durch das Fenster das Hupen näher kommender Autos, insgesamt drei. Maxine ließ Papa stehen, der mitten im Satz abbrach, Hände in den Taschen, Mund offen, während sie rasch ans Fenster ging, um nachzusehen, wer gekommen war.
»Joanie und Fred sind hier, und der Richter ebenfalls. Ich wette, sie haben das so ausgemacht «, sagte sie zu ihrem Mann. Dann drehte sie sich zu den Versammelten um.
»Alles hinaus in den Garten! Der Richter ist hier! Alles hi n aus in den Garten! «
Ich erinnere mich nicht besonders deutlich an meine eigene Hochzeit. Als ich aus dem Haus in den Garten ging, sprach der Gin, den ich gerade getrunken hatte, auf das Sonnenlicht und die unerwartete Hitze an. Ich hatt e n ichts gegessen und war nervös. Als ich durch die Terrassentür in den Garten trat, musste ich einen Augenblick stehen bleiben , um nicht umz u kippen. Das Blut schoss mir in den Kopf, ich konnte spüren, wie mein Gesicht rot wurde.
Die Gäste standen in einer unregelmäßigen Gruppe an der Hecke, zwischen ihnen verlief ein Flur, durch den Papa den Richter zu einer grünen Fläche neben einem Windenbeet füh r te. Als sie den Rand der Menge erreicht hatten, ließ Papa den Richter vor den Leuten stehen; er sah in seiner schwarzen R o be unbehaglich und schwitzend aus. Papa kam zu mir auf die Terrasse bei den Fenstern.
»Geh einfach dorthin und stell dich links vom Richter auf «, sagte er leise. »Ich gehe hinauf und hole Morgan. Ich bin s i cher, sie hat sich mittlerweile die Nägel bis auf die Knochen abgebissen. « Er ging nach drinnen.
Ich ging durch die Schneise in der formlosen Menge. Ich konnte sehen, wie sich mir ununterbrochen Gesichter zuwan d ten, die breiten Sommerhüte der Damen neigten sich mir wie Blüten entgegen. Ich vernahm das Murmeln von Unterhaltu n gen und drehte ab und zu den Kopf, wenn ich meinen Namen aufschnappen konnte. Aus dem Augenwinkel sah ich ein Paar, das auffällig fehl am Platze wirkte; der Mann hatte langes, wolliges Haar und einen Zapata-Schnurrbart, gekleidet war er in einen formlosen braunen Kordanzug. Die Frau neben ihm hatte einen weiten roten Rock an, und dazu eine weiße Bluse mit weiten Puffärmeln, wie eine rumänische Bäuerin. Joanie und Fred, die berühmten, dachte ich. Aber all diese Eindrücke registrierte ich kaum mit dem Bewusstsein . Die Verbindung der schrecklichen Hitze mit dem Gin, den ich getrunken hatte, beeinträchtigte meine Wahrnehmung noch, und mir war, als wäre ich beim Schwimmen, im Halbschlaf oder beinahe g e blendet.
Der Richter lächelte, als ich mich vor ihm aufbaute. Wir hatten einander vor einer Woche bei einer Cocktailparty ke n nen gelernt . Er machte einen müden und entspannten Ei n druck, und er schwitzte in seiner würdevollen Amtsrobe. Ich nickte ihm zu.
»Hallo, Owen «, sagte er mit geschäftsmäßigem Tonfall. »Keine Bange. Dieser Teil ist einfach. «
»Danke «, antwortete ich von Herzen. Ich konnte den Druck von
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