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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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zweihundert Augen im Rücken spüren.
    Hinter mir wurde die Terrassentür erneut geöffnet, mit e i nem effizienten, geölten Geräusch. Die Unterhaltungen in der Menge verstummten, dann setzten sie mit einem konzentrie r ten Summen wieder ein. »Ist sie nicht reizend? « sagte eine Frau. Allmählich erstarb die Unterhaltung wieder. Aus einem benachbarten Garten ertönte das ferne, bienenähnliche Surren eines Rasenmähers.
    Nach fünf Minuten und dem Austausch von Ringen und e i nigen Worten war ich verheiratet. Morgan war reizend, wie die unbekannte Frau gesagt hatte. Ihr Haar war im Nacken g e flochten und hochgesteckt, der Friseur hatte kunstvoll ein Band aus blauen Blumen in ihre Locken geflochten. Am Ende, nachdem wir uns geküsst hatten, flatterte ein Schmetterling mehrmals um uns herum, bevor er im Garten verschwand.

2
     
    Die Feier fand in den vier rot und weiß gestreiften Zelten statt, die die Männer aufgebaut hatten, denen ich am Morgen b e gegnet war. Sofort nach der Trauung waren scheinbar aus dem Nichts Männer in kurzen weißen Jacketts und mit Krawatten aufgetaucht und hatten damit begonnen, Drinks zu machen und Platten mit Häppche n u nd Früchten aufzustellen. Ein F o tograf, der wie ein Tourist mit Kameras und Filmrollen b e hängt war, machte Fotos von mir und Morgan, während wir durch die Menge der Gäste gingen, einander küssten , bevor wir ein Zelt betraten, ein Glas Champagner tranken. Ich bewu n derte Maxines Organisationstalent. Die Männer in den weißen Jacketts trugen silberne Tabletts mit Sektgläsern herum, und ich nahm zwei für Morgan und mich selbst. Wir hatten gerade die Reihen der Gratulanten über uns ergehen lassen – Gelegenheit für Dutzende Fotos –, und ich war der Meinung, wir konnten beide etwas zu trinken vertragen.
    »Auf Maxine «, sagte ich. »Für ihre hervorragende Pl a nung. Ich finde, es ist eigentlich ihre Hochzeit. « Morgan nahm ihr Glas und sah mich mit einem ironischen, dankbaren Blick an.
    »Ich wünschte, du wärst heute morgen hier gewesen «, sagte sie. »Sie hat mich fast verrückt gemacht. Alles ging schief, und Mutter brach alle zehn Minuten in herzzerreißendes Schluchzen aus. Es war die Hölle. Ich bin froh, dass es vorbei ist. « Sie sah mit stechendem Blick über die Menge, die auge n blicklich überhaupt nicht auf uns achtete. An dem Tisch mit den Häppchen, abseits von allen anderen Gästen, stand ihr V a ter alleine und scheinbar gedrückter Stimmung.
    »Der arme Papa «, sagte sie. »Ich glaube, er fühlt sich schu l dig. Er und Joanie hatten heute Morgen einen heftigen Streit. Sie wollten, dass sie ein Kleid trug, das Mutter für sie gekauft hat, und Joanie wollte das anziehen, was sie mitgebracht hat. Natürlich hat Joanie gewonnen. «
    »Ich glaube, ich habe sie gesehen «, sagte ich. »Eine zie m lich rustikale, bunte Erscheinung. «
    Morgan lächelte in sich hinein. »Ganz recht, das war Joanie. Ich frage mich, wo sie steckt. Sie sagte, sie und Fred wollten mit dir reden. Nun, die ganze Sache war s o a lbern . Papa zieht im Streit mit Joanie immer den Kürzeren . Es endet immer d a mit, dass er das Haus verlässt und spazieren geht . Aber Mutter hat ihm auch zugesetzt, und sie haben den ganzen Vormittag auf Joanie herumgehackt. « Sie ahmte die Stimme ihrer Mutter nach: » › Ich will dir natürlich nicht vorschreiben, was du tun musst , Liebes, aber deine Kleidung, die du mitgebracht hast, mag zwar für verschiedene Anlässe recht und schön sein, fre i lich nicht für eine Hochzeit. Ich sage das nur zu deinem eig e nen Besten. ‹ Schließlich machte Joanie allem ein Ende, indem sie kreischte, sie wäre eine erwachsene Frau, und wenn sie nicht einmal anziehen dürfte, was sie wollte, dann würde sie auf der Stelle das Haus verlassen. Dann verließen sie und Fred es tatsächlich. Sie waren etwa sechs Stunden hier. «
    Ich sagte ihr, was geschehen war, während sie oben war: dass ihre Schwester und ihr Schwager gleichzeitig mit dem Richter angekommen waren.
    »Oh, armer Papa «, sagte Morgan. »Gehen wir zu ihm und reden wir mit ihm. Er sieht so kläglich aus. «
    Wir gingen auf ihn zu, wurden aber schon nach wenigen Schritten aufgehalten. Ein Kusinenpaar von Morgan – oder von Papa, oder von Maxine, so sicher bin ich mir nicht – hatte sich in unserer Nähe aufgehalten, und kaum setzten wir uns in Bewegung, fiel es über uns her.
    »Oh, wie reizend ihr ausseht «, gurrten sie. Ich konnte s e hen, wie sich Morgan verzweifelt zu

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