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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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beiseite und sprang in eine Lücke vor ihm, wobei ich die Beschleunigung des Sprunges noch au s nützte, um an einer Touristengruppe vorbeizukommen, die, in Regenmänteln und mit Hüten angetan, wie eine Formation die Straße entlangmarschierten und dabei e in em Mann zuhörten, der in ein Mikrofon sprach. »Die Straße, auf der wir uns b e finden, wurde nach dem Ersten Weltkrieg nach dem allseits beliebten Präsidenten Veelson benannt …« Die beiden verbleibenden blonden Köpfe waren jetzt dicht vor mir, und ich versuchte zu entscheiden, welcher der von Esther La R o chelle war. Nur wenige Schritte von der Blonden rechts von mir entfernt ging ein kahler Mann, aber das Haar der Blondine zur Linken war zerzauster, bouffant, wie das von Esther gew e sen war, soweit ich mich erinnerte.
    Ich lief vor den Autos vorüber, die hupend aus einer Nebe n straße kamen und schritt am nächsten Block, wo ich immer noch meine Seite hielt, langsamer aus. Die beiden blonden Frauen waren jetzt so dicht beisammen, dass sie miteinander spazieren hätten sein können; der kahle Mann, dessen Jacke ich in der Menge nicht sehen konnte, ging einige Schritte vo r aus. Ich schritt so schnell aus, wie ich konnte, während ich eine Hand gegen meinen verkrampften Körper presste , bis ich so dicht bei ihnen war, dass ich zu erkennen vermochte, was sie anhatten. Dann blieb ich unvermittelt stehen. Die beiden Frauen betraten gemeinsam ein Geschäft, während der kahle Mann allein weiterging. Über der Tür des Ladens war ein Schild mit der Aufschrift A. Duhamel. Eine metallische Sti m me hinter meinem Rücken sagte: »… die ersten wirklich m o dernen Büros, sehr schön …« Ohne nachzudenken rannte ich zu der Tür und stürzte in den Laden hinein.
    Niemand sah mich eintreten. Helle Reihen Kleider und B a deanzüge hingen von Stangen herunter, etwa ein Dutzend Frauen sahen sie durch. In dem Laden wimmelte es von Blo n dinen. Dann beruhigte ich mich. Die Frauen an den Stangen wühlten in den Kleidern. Die anderen, die in auffälligen Posen weiter hinten im Laden standen, waren Schaufensterpuppen. Ich ging um die erste Reihe der Kleider herum und sah in e i nem Spiegel die beiden blonden Frauen, denen ich gefolgt war. Im Profil waren ihre Gesichter verkniffen, sie hatten la n ge Nasen und sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Zwillinge. Ich atmete stöhnend aus. Ich ging zur Tür des Ladens und trat wieder auf die Straße hinaus. Das Seitenstechen ließ nach. Am Ende des nächsten Blocks sagte die metallische Stimme etwas auf Deutsch . »Krieg … Krieg «, konnte ich blechern hören.
    Die La Rochelles, wenn sie es waren, mussten die schmale Nebenstraße entlanggegangen sein, an der ich vorbeilief, als ich den Zwillingen folgte. Im Laden hatte ich etwa eineinhalb Minuten verloren, aber wenn ich schnell genug in die Nebe n straße kam, konnte ich sie vielleicht sehen, denn ich erinnerte mich, dass es eine lange, gerade und schmale Gasse war, die parallel zum Boulevard des Lices verlief, ohne Abzweigungen, bis zur Rue Jean Jaures. Das bedeutete, dass das Paar im Grunde genommen den Weg zurückging, den wir genommen hatten, wobei sie entweder ziellos in jede Straße schlenderten, die einladend aussah, oder mir bewusst aus dem Weg gingen.
    Ich rannte den Block entlang zu der Nebenstraße. Der Fremdenführer befand sich auf dem Rückweg, er sagte: »Die romaneske Fassade ist üblich …« als ich an ihm vorbeilief. Die metallische Stimme verstummte. Die ersten Paare seiner Gruppe starrten mich mit offenen Mündern an. Ich blickte über die Schulter und stellte fest, dass sie mir nachstarrten. »En t schuldigung! « rief ich. »Bin in Eile! « Ihre Gesichter regten sich nicht, als wären sie zu Stein erstarrt. »Entschuldigung! « rief ich nochmals.
    Als ich mich wieder umdrehte, stand ich allein in der Se i tenstraße. Es war eine lange, staubige Gasse zwischen den beiden Hauptverkehrsstraßen, die in die Stadt führten, altm o dische Feuerleitern verunzierten die Fassade n d er Häuser, al t modische Straßenlampen den Gehweg. Am anderen Ende der Gasse konnte ich die Menschen sehen, die im grellen Sonne n licht auf der Rue Jean Jaures vorübergingen. Es war, als würde ich durch das falsche Ende eines Teleskops blicken, winzige Gestalten eilten im Licht vorbei. Wenn das Paar durch diese Gasse gegangen war, dann musste es sie wieder verlassen h a ben, während ich in dem Laden war oder mich bei der Reis e gruppe entschuldigte. Ich lief so schnell ich

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