Straub, Peter
einer Unterhaltung in einem Pub, etwa ein Jahr nachdem sich alles wieder scheinbar normalisiert hatte und er und Sheila sich ausgesöhnt hatten. Ich erinnerte ihn daran, dass es in solchen Dingen keinerlei Kausalität gab.
Sheila sagte: »Es ist so schön, einen anderen Menschen ke n nen zu lernen , der begreift, was vor sich geht. Manchmal spür ich, wie die Erde unter mir bebt und sich verändert. Owen hier ist wirklich ein Schatz, aber er ist so schrecklich konservativ! Natürlich kann man ihm daraus keinen Vorwurf machen, schließlich ist er Geschäftsmann, nicht? Aber ich habe gestern Life Against Death g el esen, obwohl Jack sagt, dass es schrec k licher Schund ist, und habe festgestellt, es ist verblüffend geistreich … das Tibetanische Totenbuch … Tao-te-king … Buddhismus … Flucht aus den Fesseln der Persönlichkeit … Flucht vom Glauben … Polymorphie … Blakes Zeichnungen … Räucherstäbchen. «
Nach dem Essen entschuldigte ich mich damit, dass ich noch packen müsste . Abe sagte: »Dann muss ich auch gehen «, und stand auf. Als sie uns zur Tür brachte, hielt Sheila rührend unsere Hände, als würden wir sie verlassen. Jack, der kurz vor dem Essen mürrisch heimgekommen war, saß düster im Wohnzimmer. Ich glaubte, sein Doktorvater peinigte ihn.
»Sie werden nicht zu lange wegbleiben, oder? « fragte Sheila.
»Etwa einen Monat. «
»Und was ist mit Ihnen? « Sie richtete die Frage an Abe. »Sie werden doch nicht auch weglaufen, oder? «
Abe ergriff ihre Hand. »Ich habe soeben meine Pläne geä n dert «, sagte er. »Ich bleibe mindestens einen Monat hier. Im Ritz. «
»Meine Güte, das Ritz! «
Sheila und ich küssten uns zum Abschied; in dem Auge n blick, bevor unsere Lippen sich trafen, konnte ich sehen, wie sie abschätzend zu Abe sah.
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18. Okt.
Liebe Morgan, Joanie und Owen,
ich bin heute Morgen ein wenig in Eile, daher kann ich nicht jedem von Euch einen Brief schreiben. Mein Mädchen und ich bereiten uns auf ein Wochenende in New York vor. Ich glaube, wir werden wieder im Plaza absteigen, weil Eure Mutter es so sehr mag – aber um die Wahrheit zu sagen, es wird immer schäbiger! Wie auch immer, für uns ist es ein Tapetenwechsel, und Maxine hat Gelegenheit, sich ein paar neue Kleider zu kaufen und einige ihrer Freundinnen in New York zu besuchen. Ich kann sie eigentlich nicht au s stehen, weil sie alle zuviel rauchen und zu laut über solche Sachen wie die Black Panther reden, aber zwei Tage werde ich es schon ertragen. Hauptsache Maxine hat ihren Spaß daran. Jeder muss einmal ein Weilchen › weg ‹ , um sich zu entspannen. Ich glaube, Ihr Kinder habt das diesen Sommer herausgefunden, wenngleich es mir persönlich lieber gew e sen wäre, ihr wärt alle zusammen glücklich gewesen – das Leben ist nicht so lange, müsst Ihr wissen, dass man es g e trennt verbringen könnte! Das erinnert mich an ein anderes trauriges Ereignis, das sich jüngst hier zugetragen hat. Ich scheine in letzter Zeit nur noch traurige Briefe zu schreiben, aber ich weiß, es wird Euch interessieren, was sich ereignet, gut oder schlecht. Morgan, Dein alter Bewunderer Mr. Franciscus ist letzte Woche gestorben: er wurde von Str a ßenräubern zusammengeschlagen und hat sich nicht mehr erholt. Ich weiß, das sind schlimme Nachrichten, aber ich bin sicher, Ihr wolltet informiert sein. Soweit ich weiß, war er ganz allein auf der Welt, ohne Geschwister, daher muss man niemandem eine Karte schicken. Maxine und ich w a ren bei der Beerdigung, und Ihr wärt überrascht gewesen, wie viele seiner alten Studenten dabei waren! Das hat mir jedenfalls gezeigt, dass wir uns alle nach Kräften bemühen müssen, die Straßenkriminalität zu bekämpfen. Wir leben in ständiger Angst! Glaubt mir, es ist viel schlimmer, dies jemandem zustoßen zu sehen, den man kennt, anstatt es in der Zeitung zu lesen. Trotz der Kritik stehe ic h v oll und ganz hinter den neuen Maßnahmen des Präsidenten. (Ich glaube, einige Leute im Senat werden sich erst daran g e wöhnen müssen, dass wir eine Regierung haben, die Ve r brecher nicht wegen der › Rehabilitierung ‹ mit Samthan d schuhen anfasst .) Joanie, wir haben Deinen Brief vom 13. Oktober erhalten, und wir fanden beide, dass Du Dich ein wenig deprimiert anhörst. Ich hoffe, es geht Dir jetzt wi e der besser, und vergiß nicht, solltest Du im nächsten S e mester Dein Studium wieder aufnehmen, wir stehen hinter Dir, was auch geschieht, und wir zahlen gerne alle Rec
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