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Street Art Love (German Edition)

Street Art Love (German Edition)

Titel: Street Art Love (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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mein Vater eröffnet das Gespräch. Normalerweise ist es meine Mutter, die streng ist, und mein Vater, der ausgleicht. Bad cop, good cop , aber gerade sehen beide sehr »bad« aus.
    »Sophie, wir haben uns auf dich verlassen«, sagt mein Vater.
    »Ja, tut mir leid, ich habe die Zeit vergessen.«
    Meine Mutter räuspert sich. »Das ist keine Entschuldigung. Dieses Essen war sehr wichtig für uns.«
    Ich weiß, wie man ein solches Gespräch führen sollte. Ruhig und gelassen. Aber irgendetwas explodiert in mir, etwas, das schon lange in mir schlummert und nur darauf gewartet hat, ausgesprochen zu werden.
    »Warum muss ich immer auf Max aufpassen? Ich will auch mal weggehen. Ich bin fünfzehn, bald sechzehn, und wieso kann ich mich nicht mal verabreden und muss immer zu Hause bleiben?«
    Meine Eltern sehen mich überrascht an.
    »Aber, Sophie«, sagt mein Vater ruhig. »Natürlich kannst du rausgehen und dich verabreden. Wann immer du willst. Aber wenn du versprochen hast, pünktlich hier zu sein, und wir uns auf dich verlassen, dann ist es das Mindeste, dass du anrufst und Bescheid sagst, wenn du dich verspätest.«
    Er hat recht. Aber nur in seiner Welt.
    »Ja, aber warum ist immer alles so wichtig, was ihr macht, und das, was ich machen will, nicht so wichtig?«
    Meine Eltern sehen sich an. Am meisten erstaunt sie vermutlich, dass ich überhaupt widerspreche und nicht brav nicke wie sonst.
    »Es ist dieser Charly, oder?«, sagt meine Mutter, als hätte er mich mit Widerspruchsgeist vergiftet.
    »Nein. Ihr, ich …, ständig kümmere ich mich um Max, wenn ihr nicht da seid, und …«
    Ich weiß nicht so genau, was ich sagen will. Ich mag meinen Bruder, ich koche ihm gerne etwas zu essen, aber in letzter Zeit engt mich das alles ein.
    »Ich habe auch ein Leben.«
    »Für das wir jeden Tag arbeiten gehen!«, sagt mein Vater scharf. Es ist eine moderne Version von »Solange du deine Beine unter unseren Tisch stellst«. Ein Totschlagargument.
    »Wieso habt ihr dann überhaupt Kinder?«, brülle ich.
    Meine Mutter wird blass.
    Ich habe noch nie gebrüllt, ich bin selber leicht geschockt.
    »Das reicht«, sagt mein Vater. »Geh in dein Zimmer, ich will dich erst wieder sehen, wenn du dich beruhigt hast.«
    Meine Mutter steht auf und sieht mich nicht an. Hat sie Tränen in den Augen?
    Ich zittere am ganzen Körper, meine Beine sind weich wie Gummi. Ich rutsche vom Stuhl, drehe mich um und renne die Treppe hoch. Mein Herz rast, ein dicker Kloß sitzt in meinem Hals. Ich dachte, es wäre eine Befreiung, wenn ich alles herausschreie, aber es fühlt sich nur schrecklich an. Meine Stirn ist glühend heiß. Ich kann noch nicht einmal weinen.
    Ich werfe mich auf mein Bett und presse mein Gesicht in mein Kissen. Ich weiß, dass ich mich in dem Gespräch nicht richtig verhalten habe, aber tief in mir spüre ich trotzdem: Ich habe recht. Und ich habe es endlich einmal ausgesprochen.
    Obwohl es mitten am Tag ist, rolle ich mich unter der Decke zusammen und schließe die Augen. Ich höre, wie unten die Tür ins Schloss fällt, etwas später startet das Auto meiner Eltern.
     
    Ich muss länger geschlafen haben, denn als ich aus einem fiebrigen Traum aufwache, dämmert es draußen. Mir ist heiß, ich glühe am ganzen Körper, mein Kopf schmerzt. Ich würde gerne etwas trinken, finde aber nicht die Kraft, aufzustehen. Also bleibe ich liegen und schlafe kurz darauf wieder ein.
    Als ich das nächste Mal aufwache, sitzt meine Mutter an meinem Bett. Ich rieche ihr Parfüm und spüre ihre kühle Hand auf meiner Stirn. Irgendwo im Hintergrund plappert Max, meine Mutter schickt ihn aus dem Zimmer.
    »Du hast hohes Fieber.«
    »Kann ich was trinken?«
    »Ja, natürlich, ich hole dir was.«
    Ich warte und wünsche mir, dass meine Eltern das Gespräch vergessen, dass alles wieder so ist wie vorher und ich wieder gesund werde. Doch gerade scheint sich mein Zustand zu verschlimmern. Mein Hals brennt, meine Zunge fühlt sich geschwollen an und klebt trocken am Gaumen.
    Meine Mutter kommt mit einer Tasse abgekühltem Pfefferminztee, und ich trinke in kleinen Schlucken. Es ist, als ob mein Hals innerhalb von Sekunden zuschwillt.
     
    In der Nacht wird es noch schlimmer, das Fieber steigt weiter, und immer wenn ich aufwache, sitzt mein Vater oder meine Mutter am Bett. Irgendwann fährt mich mein Vater in die Notaufnahme, ich werde lange untersucht, bekomme ein Fiebermittel, und nach längerer Beratung nimmt mich mein Vater wieder mit nach Hause.
    Ich

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