Street Art Love (German Edition)
Studentenvermittlung bestellt hat. Ich schleiche die Treppe halb herunter und setze mich auf die Stufen. Von hier kann ich ins Wohnzimmer sehen und höre die Stimme meiner Mutter.
»… ja, viermal die Woche, dienstags ist er beim Fußball, und ich bin zu Hause … genau … ihm etwas zu essen kochen, mit ihm Hausaufgaben machen oder spielen.«
Irinas Stimme kann ich nicht verstehen, sie spricht zu leise, aber eigentlich habe ich auch schon genug gehört. Meine Mutter hat eine Studentin engagiert, die auf Max aufpassen soll.
Ich gehe zurück in mein Zimmer und stelle mir vor, was Max dazu sagen wird. Vermutlich protestieren. Denn ich glaube nicht, dass ich einfach so durch eine Studentin zu ersetzen bin.
Eine halbe Stunde später kommt meine Mutter in mein Zimmer.
»Und? Wie geht es dir?«
»Viel besser.«
Sie lächelt. »Wir haben uns ganz schöne Sorgen gemacht. Aber – in einer Sache hattest du recht. Du solltest mehr Zeit für deine Interessen haben. Das Malen und die Schule sind dir wichtig, nicht wahr?«
»Na ja, die Schule … der Kunstunterricht und die AG halt.«
Sie nickt. »Du hast es ja gerade mitbekommen. Ich stelle eine Studentin ein, sie kommt jetzt viermal die Woche und passt nach der Schule für zwei bis drei Stunden auf Max auf. So musst du das nicht mehr machen. Ist das ein Angebot?«
»Ja. Weiß Max es schon?«
Meine Mutter lächelt. »Wie du ja richtig bemerkt hast, kann es nicht immer nur nach ihm gehen. Und er wird sich schon daran gewöhnen. Irina ist nett und studiert Erziehungswissenschaft, das wird schon klappen.« Sie streicht mir über das Haar. »Ich würde morgen auch gerne wieder in die Kanzlei gehen. Langsam fehle ich deinem Vater dort. Meinst du, das geht? Irina kommt erst ab übermorgen, aber morgen ist Max ja sowieso beim Fußball.«
»Ja, kein Problem.«
Ich denke daran, dass morgen Kunst- AG ist. Und ich Charly dort sehen könnte. Ohne den Rest der Klasse.
»Vielleicht kann ich ja morgen auch schon wieder zur Schule gehen.«
Meine Mutter runzelt die Stirn. »Du warst eine Woche krank, und … meinst du nicht, du solltest dich noch ein wenig ausruhen? Dein Attest geht bis Ende der Woche.«
»Aber wenn es mir gut geht, darf ich gehen, oder?«
»Ja, natürlich.«
[zurück]
MEIN VATER NENNT ES EIN WUNDER , meine Mutter einen starken Willen. Und beide glauben, dass ich unbedingt in die Schule will, damit ich den Kunstunterricht und die Kunst- AG nicht verpasse. Was ja auch irgendwie stimmt. Ich muss ihnen allerdings beteuern, dass ich sofort anrufe, falls ich mich schwach fühle, und mein Vater möchte mich unbedingt zur Schule fahren und besteht auch darauf, mich nach der Kunst- AG wieder abzuholen. Ich stimme zu, auch weil ich mich tatsächlich noch etwas schwach fühle. Aber das ist egal, ich denke nur an Charlys Reaktion, wenn ich wieder in die Schule komme. Werden wir uns gleich umarmen? Ich muss grinsen, wenn ich an Pias Gesicht denke. Und weil ich mich stark fühle, ziehe ich mir auch etwas Besonderes an. Einen kurzen Rock und eine schwarze Strumpfhose, dazu ein enges Top. Schließlich fährt mich mein Vater, und ich muss mich nicht warm anziehen.
Als mein Vater mit seinem schwarzen BMW vor der Schule vorfährt, bin ich mir sicher, dass ich einen großartigen Auftritt haben werde. Es gibt nur ein Problem. Die ganze Zeit, als ich krank zu Hause im Bett lag, bin ich selbstverständlich davon ausgegangen, dass Charly an mich denkt, sich Sorgen um mich macht und sehnsüchtig darauf wartet, dass ich gesund werde und wir uns wiedersehen. Natürlich, denn so ging es mir. Doch als ich aus dem Auto meines Vaters steige und die Traube von Schülern vor der Schule stehen sehe, wird mir klar, dass ich diese Traumvorstellung besser vorher ein wenig überprüft hätte. Denn eigentlich ist alles genauso, wie es vor den Ferien war. Charly steht in einer Traube von Mädchen vor der Schule und erzählt seine Geschichten, und ich versuche, mich unsichtbar zu machen. Was nicht so einfach ist, wenn man bei dieser Kälte einen kurzen Rock trägt.
»Cooles Outfit!«, sagt Steffen, als ich in die Eingangshalle schlüpfe und mich nach Maja umsehe. »Warst du krank?«
Auf einmal bin ich froh, dass Steffen da ist. Jemand, der mich bemerkt, obwohl ich versuche, unsichtbar zu sein. Jemand, der nicht die Aufmerksamkeit der halben Schule braucht, um sich gut zu fühlen. Steffen ist gar nicht in meiner Klasse, und er hat gemerkt, dass ich gefehlt habe. Wie nett.
Ich nicke,
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