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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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hineinging und mich in einem frühen Nachkriegs-Worcester in beinahe tadellosem Zustand wiederfand. Herrlich! Selbst das Essen war nicht übel, was mich anfangs enttäuschte, mit dem ich aber mittlerweile leben kann.
    Keiner weiß, wie viele solcher Diners es noch gibt. Das liegt zum Teil an der Definition. Ein Diner ist im wesentlichen jedes Lokal, das Essen serviert und sich Diner nennt. Im weitesten Sinne gibt es etwa zweitausendfünfhundert davon in den Vereinigten Staaten. Von diesen sind aber allerhöchstem tausend »klassische« Diners, und die Anzahl verringert sich jährlich. Erst vor ein paar Monaten hat der älteste Diner in Kalifornien, Phil's in Nord-Los-Angeles, geschlossen. Obwohl er seit 1926 betrieben wurde, nach kalifornischen Maßstäben so altehrwürdig wie Stonehenge war, wurde sein Dahinscheiden kaum registriert.
    Die meisten Diners können nämlich mit den großen Restaurantketten nicht konkurrieren. Ein traditioneller Diner ist klein, hat vielleicht acht Eßnischen und ein Dutzend Tresenplätze, und wegen der
    Tischbedienung und individuell zubereiteter Mahlzeiten sind die Betriebskosten hoch. Außerdem sind die Läden alt, und in den USA ist es beinahe immer billiger, etwas zu ersetzen, als etwas zu erhalten. Ein Diner-Liebhaber, der in Jersey City, New Jersey, einen alten Diner gekauft hatte, entdeckte zu seinem Kummer, daß es neunhunderttausend Dollar gekostet hätte – die potentiellen Profite der nächsten zwanzig Jahre –, ihn in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Da war es viel kostengünstiger, ihn abzureißen und das Grundstück an Kentucky Fried Chicken oder McDonald's zu verhökern.
    Heutzutage gibt es allerdings eine Menge Pseudodiners. Als ich das letztemal in Chicago war, hat man mich in einen namens Ed Debevic's geführt, wo die Kellnerinnen Schildchen trugen, die ihre Namen als Bubbles und Blondie ausgaben, und die Wände mit Eds Bowlingtrophäen geschmückt waren. Dabei hatte es nie einen Ed Debevic gegeben. Er war nur die Ausgeburt der schöpferischen Phantasie eines Marketingfritzen. Einerlei. Ed boomte. Ein Essenspublikum, das echte Diners verschmäht hatte, als sie noch an jeder Ecke zu finden waren, stand jetzt vor einem imitierten Schlange. Dieses Phänomen ist mir über die Maßen rätselhaft, aber es ist hier alltäglich.
    In Disneyland werden Sie feststellen, daß die Leute in Scharen eine Main Street auf und ab schlendern, die aussieht wie die, die sie en masse zugunsten der neuen Einkaufszentren in den Fünfzigern aufgegeben haben. Genauso verhält es sich mit den restaurierten Kolonialdörfern wie Williamsburg, Virginia oder Mystic, Connecticut, wo die Besucher gutes Geld bezahlen, um die Art beschaulicher Dorfatmosphäre zu genießen, aus der sie schon lange in die netten Vorstädte allerorten geflüchtet sind. Ich kann es mir letztendlich nur so erklären, daß die Amerikaner wirklich – um eine hübsche Wendung zu kreieren – nur das wollen, was nicht wirklich wirklich ist.
    Aber damit könnte man eine neue Kolumne füllen. Demnächst kommen wir auf das Thema zurück. Jetzt will ich erst mal ins Four Aces, solange es noch möglich ist. Die Kellnerinnen dort heißen nicht Bubbles, aber dafür sind die Bowlingtrophäen echt.
    Anfang April, nur drei Monate nach Erscheinen dieses Artikels, wurde das Four Aces geschlossen.

Alles gleich gräßlich

    Ich weiß noch, wie ich das erstemal europäische Schokolade gekostet habe. Es war am 21. März 1972 im Hauptbahnhof von Antwerpen, an meinem zweiten Tag als junger Rucksacktourist auf dem alten Kontinent. Als ich auf einen Zug warten mußte, kaufte ich mir eine Tafel belgische Schokolade am Bahnhofskiosk, biß ein Stück davon ab und begann nach einem Moment sprachloser Verzückung unwillkürlich eine Reihe derart lauter, lustvoller Töne auszustoßen, daß sich in einem Umkreis von zwanzig Metern alle Blicke auf mich richteten.
    Wissen Sie, wie ein Kleinkind eine Schüssel Nachtisch futtert – mit hörbarem Behagen, besorgniserregend sabbernd und glucksend? So habe ich die Schokolade verspeist! Ich konnte nicht anders. Ich ahnte ja nicht, daß Schokolade so gut sein kann. Ich wußte nicht, daß überhaupt irgend etwas so gut sein kann.
    Wie Sie vielleicht wissen, ist Schokolade hier eine merkwürdig fade Chose. Angeblich war das nicht immer so. Wie oft habe ich von Leuten aus der Generation meiner Eltern gehört, daß in ihrer Jugend amerikanische Schokoladentafeln wahre Hämmer waren – viel

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