Streiflichter aus Amerika
fetter, cremiger und üppiger mit Nüssen, Nougat und sonstigen Gaumenfreuden beladen als heute. Mein Vater schwelgte in wonnevollen Erinnerungen an Schokoladentafeln aus den Zwanzigern, die so gehaltvoll und lecker waren, daß man fast den ganzen Tag brauchte, um sie zu essen, und ein paar Wochen, um sie zu verdauen. Dieselben Marken sind heute geschmacksneutrale kleine Nichtigkeiten.
Allgemein wird das damit erklärt, daß die Produkte über die Jahre hinweg nach ständig neuen Rezepten hergestellt worden sind – vielleicht sollte ich » ent stellt« sagen –, um die Kosten zu senken und ihren Anreiz für Leute mit abgestumpfteren Geschmacksnerven zu erhöhen. Und es stimmt. Schrecklich viele Nahrungsmittel hier – Weißbrot, die meisten einheimischen Käsesorten, fast alle Fertiggerichte, der Großteil des Biers, auch viele Sorten Kaffee – sind nicht mehr im entferntesten so kräftig, wohlschmeckend und vielfältig wie ihre Pendants in Europa, ganz gleich, wo. Merkwürdig für ein Land, in dem man gern ißt.
Ich mache zweierlei dafür verantwortlich. Zunächst die Kosten. Alles hier richtet sich nach den Kosten, viel mehr als in anderen Ländern. Wenn der Preis bei zwei konkurrierenden Firmen ein Faktor ist (und das ist er immer), verdrängt das Billigere unweigerlich das Teurere, was selten zu besserer Qualität führt. (Das heißt, es führt nie zu besserer Qualität.)
In unserer Nachbarschaft war einmal ein gutes mexikanisches Fast-food-Restaurant. Dann eröffnete vor einem Jahr auf der anderen Straßenseite eine Filiale von Taco Bell, einer landesweiten Kette. Ich glaube nicht, daß ein Mensch auf Erden behaupten würde, im Taco Bell gäbe es wirklich gutes mexikanisches Essen. Aber es ist billig – wenigstens fünfundzwanzig Prozent billiger als das gegenüberliegende Etablissement, mit dem es konkurrierte. Binnen Jahresfrist war dieses dann auch kaputt. Wenn man nun also in unseren Breiten Appetit auf mexikanisches Fast-food hat, muß man sich mit den preiswerten, aber sorgfältig uninspirierten Gerichten von Taco Bell begnügen.
Weil Taco Bell einen so aggressiven Preiskampf führt, dominiert es fast überall. Wann immer man heutzutage an amerikanischen Highways Appetit auf einen Taco hat, muß man mit denen von Taco Bell vorliebnehmen. Verblüffenderweise ist das den meisten Leuten nur recht. Und damit sind wir beim zweiten Faktor – der eigentümlichen, unerschütterlichen Liebe amerikanischer Konsumenten zu vorhersagbarer Einförmigkeit. In anderen Worten: Die Leute hier wollen, wo immer sie hingehen, stets das gleiche vorfinden. Und das gibt mir, wie so vieles andere, Rätsel auf.
Nehmen Sie Starbucks, eine Cafékette, der gegenüber ich eine vage und womöglich irrationale Abneigung hege, und sei es nur deshalb, weil ihre Läden jetzt überall aus dem Boden schießen. Starbucks hat vor ein paar Jahren in Seattle ganz bescheiden begonnen, doch in den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl seiner Filialen auf eintausendzweihundertsiebzig verzehnfacht, und man beabsichtigt, diese Zahl in den nächsten beiden Jahren zu verdoppeln. Auf der Suche nach einem Café hat man in vielen Städten oft schon nur noch die Wahl zwischen Starbucks oder nichts.
Es spricht ja gar nichts gegen Starbucks – doch eigentlich auch nichts dafür. Sie servieren einem eine anständige Tasse Kaffee. Na und? Das kann ich auch. Ich habe nur den Eindruck, daß die Hauptantriebskraft dort nicht ist, den leckersten Kaffee, sondern mehr Starbucks herzustellen. Wenn die kaffeetrinkende amerikanische Öffentlichkeit allerdings einen exzellenten Kaffee verlangte, müßte Starbucks ihn auch anbieten, um seine marktführende Stellung zu behaupten. Doch die Öffentlichkeit verlangt keinen exzellenten Kaffee, und somit steht Starbucks auch nicht unter dem Druck, außergewöhnliche Qualität zu offerieren. Es kann sie bieten, aber die kommerzielle Notwendigkeit besteht nicht, insbesondere weil es (a) in den meisten Orten das einzige Café weit und breit ist und (b) seine Gäste mittlerweile vollkommen an die Starbucksqualität gewöhnt sind.
Wir haben in Hanover zwei gemütliche Cafes, doch ich bin überzeugt, wenn Starbucks hierherkäme, gerieten die Leute völlig aus dem Häuschen. (Sie hätten erleben sollen, wie sie geradezu delirierten, als The Gap eine Filiale hier eröffnete.) Die Stadt würde Starbucks als eine Art Bestätigung ihrer Existenz durch die Außenwelt auffassen. Und die Besucher, auf die die Stadt angewiesen
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