Streiflichter aus Amerika
dann eine halbe Stunde auf Nebenstraßen herumsuchen, während meine Mitfahrer auf bei weitem leichter erreichbare, besser ausgestattete Herbergen hinwiesen. Es gab also ziemlichen Ärger. Doch einerlei. Für ein solches Supersonderangebot mit üppigem Gratisfrühstück dürfen Sie mich so lange ärgern, wie Sie wollen.
Wie ich aber aus der Fassung geriet, als ich eincheckte und der Angestellte mir eine Rechnung zuschob, die sich auf 149,95 Dollar belief, können Sie sich ausmalen.
»Und was ist mit dem Sonderangebot?« wieherte ich los.
»Das«, sagte er überaus verbindlich, »gilt nur für eine ausgewählte Zahl von Zimmern.«
»Für wie viele?«
»Zwei.«
»Und wie viele Zimmer haben Sie?«
»Einhundertundfünf.«
»Aber das ist Betrug«, sagte ich.
»Nein, Sir, das ist Amerika.«
Na ja, ich glaube, das hat er nicht gesagt, aber er hätte es sagen können. Es handelte sich im übrigen um eine große, wohlbekannte Motelkette, deren Manager gewiß höchst betrübt und beleidigt wären, wenn man sie als Betrüger und Halsabschneider bezeichnen würde. Sie befolgen nur die fließenden moralischen Spielregeln des Kommerzes hierzulande.
Gerade habe ich ein Buch mit dem Titel Wahrheit mit kleinen Fehlern: Wie in Amerika Fakten manipuliert werden gelesen. Es ist voller spannender Stories von irreführenden Behauptungen in der Werbung, parteilichen wissenschaftlichen Studien, getürkten Meinungsumfragen und dergleichen – also voller Dinge, die man überall sonst als Betrug bezeichnen würde.
Autohersteller brüsten sich zum Beispiel in ihren Anzeigen mit Sicherheitsvorrichtungen wie Seitenaufprallschutz, die ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind. Chevrolet warb einmal für ein Auto mit »einhundertundneun Vorteilen, die es davor bewahren, vor der Zeit alt zu werden«. Als ein Autojournalist sich die Sache genauer ansah, entpuppten sich diese besonderen Vorteile als Rückspiegel, Rückfahrscheinwerfer, ausgewuchtete Räder und diverse andere »Pluspunkte«, die zur Standardausrüstung eines jeden Autos zählen.
Mich erstaunt nicht, daß Wirtschaftsunternehmen versuchen, die Wahrheit zu ihren Gunsten zu verdrehen, mich erstaunt nur das Ausmaß, in dem sie das dürfen, ohne daß man sie dafür belangt. Lebensmittelfabriken dürfen von einer bestimmten Zutat nichts oder so gut wie nichts in ein Produkt stecken und dennoch so tun, als sei es im Überfluß darin enthalten. Um nur ein willkürliches Exempel herauszugreifen: Eine große, wohlbekannte Firma verkauft »Blaubeerwaffeln«, in die sich nie eine Blaubeere verirrt hat. Die blaubeerähnlichen Klümpchen darin sind in Wirklichkeit Chemikalien mit hundertprozent künstlichem Aroma, was man aber auch dann nicht begreifen würde, wenn man die Packung einen halben Tag lang studierte.
Können die Firmen bei den Zutaten nicht betrügen, mogeln sie bei anderen Angaben. Ein beliebter Hersteller von Schokoladenkuchen mit niedrigem Fettgehalt prahlt damit, daß eine Portion nur siebzig Kalorien hat. Aber die vorgeschlagene Portion wiegt nur dreißig Gramm – so kleine Stücke kann man rein praktisch gar nicht schneiden!
Am ärgerlichsten, weil unausweichlichsten, empfinde ich den Betrug mit der Werbepost. Jedes Jahr erhält jeder Mensch in den Vereinigten Staaten durchschnittlich dreißig Pfund – fünfhundert Sendungen – von diesem Müll. Und weil es so viel ist, greifen die Absender zu den fiesesten Tricks, um einen zum Hineinschauen zu verleiten. Sie drucken Umschläge, die von außen aussehen, als enthielten sie Gewinnschecks oder lebenswichtige behördliche Dokumente, seien durch besonderen Boten zugestellt worden oder könnten einem sogar Ärger bringen, wenn man sie nicht aufmerksam liest. Heute bekam ich zum Beispiel ein Couvert mit der Aufschrift »Inliegend Dokumente nur für den Empfänger persönlich... 2000 Dollar Geldstrafe oder fünf Jahre Gefängnis für jeden, der die Zustellung be- oder verhindert; Aktenzeichen 18/IV/l 702/96«. Na, das mußte ja was Wichtiges sein! Es war... die Einladung zu einer Autoprobefahrt in der Nachbarstadt.
Zu meiner Verzweiflung bedienen sich nun auch durchaus ehrenwerte Verbände dieser Listen. Kürzlich erhielt ich einen sich hochoffiziell gerierenden Brief mit der Ankündigung: »Scheck beiliegend«. Er stellte sich als Schreiben der Mukoviszidosestiftung heraus, einer großen Wohltätigkeitsorganisation, die um eine Spende bat. Ein Scheck lag natürlich nicht darin –nur ein Faksimilescheck, der mir zeigte,
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